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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
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einführen. Allein bei dem Gedanken an diese Nacht wurde mir so übel, dass ich mich lieber auf etwas anderes konzentrierte. Ich dachte an den Spiegelsichttest von gestern Abend. Nachdem mein Fieber gesunken war, hatte Damontez keine Sekunde gezögert und mich wieder dieser dämlichen Schikane unterzogen. Dreißig unterschiedliche Gegenstände hatte er mir nacheinander in die Hand gelegt. Bei fünfundzwanzig davon hatte ich, was die Farbe betraf, absichtlich falsch geantwortet. Die Farbe war für ihn natürlich am aussagekräftigsten – er war schließlich nicht spiegelsichtig. Wie sollte er beurteilen können, ob die rote Mohnblüte, die er mir in die Hand legte, wie ein Akkord aus C, E und A klang? Ich hatte herausgefunden, dass ich ihn so am besten in den Wahnsinn treiben konnte.
    »Die Farbe will sich mir nicht erschließen«, hatte ich ein paar Mal hochtrabend erklärt, »aber die Blüte klingt nach einem hohen D und schmeckt nach Jasmin – igitt!«
    Nach der zehnten Kombination aus Klang und Geschmack hatte er mir ganz leicht auf den Hinterkopf geschlagen und damit gedroht, mir die restliche Nacht die Augenbinde aufzulassen – mit auf den Rücken gebundenen Händen wohlgemerkt –, wenn ich ihm noch einmal so eine Antwort geben würde.
    Trotzdem ging der Sieg diesmal an mich, aber er wusste sich zu revanchieren. Das bekam ich in den Sekunden zu spüren, als die Vampirinnen großzügig Jasminöl über meinen Körper verteilten – mit einem süßlichen »besondere Anordnung von Damontez« auf den Lippen. Es hatte wohl keinen Zweck, ihnen zu erklären, wie sehr ich den Geruch von Jasmin verabscheute.
    Danach packten sie mich in ein Handtuch und schminkten mich nach allen Regeln der Kunst: helles Make-up, fliederfarbenen und grauen Lidschatten, Wimperntusche, altrosafarbenes Rouge und farbloses Lipgloss. Sie sprachen nicht viel mit mir, untereinander dafür aber umso mehr. Sie spekulierten, wer außer Faylins eigenem Clan noch eingeladen worden war und wer nicht. Sie lachten über Namen, die ich nicht kannte, und bei manchen senkten sie ehrfurchtsvoll ihre Stimmen. Es fielen Nummern zwischen 1 und 499, begleitet von Seufzern und wissenden Blicken – bereits nach fünf Minuten brannten meine Wangen vor Verlegenheit. 18 Jahre und unberührt wie frisch gefallener Schnee am Nordkap.
    »Und Remo?«, fragte ich sie irgendwann. »Kommt er auch?« Ich glaube, erst da wurde ihnen bewusst, dass ich nicht nur eine Schaufensterpuppe war, an der sie herumhantierten.
    »Damontez möchte, dass wir deine Haare glätten und zu einem Zopf an der Seite flechten«, sagte die Größere der beiden, ohne meine Frage zu beantworten. Wie ich der Unterhaltung entnommen hatte, hieß sie Khea. Ihr junges Gesicht hatte markante Züge, einen breiten Unterkiefer und eine griechische Nase, die steil von der Stirn nach unten fiel. Ihre Schönheit lag allein in den Augen, etwas, das allen Vampiren, gleich ihrer Gesichtszüge, gemein war.
    »Wir sollen ihr violette und blaue Seidenbänder einflechten«, fügte jetzt noch die andere hinzu. Auf ihrem Kopf türmte sich ein kunstvoller Dutt, der die Strenge ihrer Züge betonte. Sie musterte mich mit hochgezogenen Augenbrauen. »Faylin würde den Teufel tun und Remo einladen«, erklärte sie mir dann. »Er versucht, ihn aus allem, was er tut, auszuschließen. Da er ja selbst als Vertreter Glasgows anwesend ist, hält er es nicht für nötig, Remo dazuzubitten.«
    »Und das lässt er sich gefallen?«, fragte ich verblüfft und sah dabei zu, wie sie meine langen Haare Strähne für Strähne durch das Glätteisen zog.
    »Nun, er wird es nicht wissen. Und falls er es erfährt, wird er natürlich toben und sich einen neuen Schachzug gegen Faylin einfallen lassen. Ashlynn – gib auf die Spitzen acht. Sie kringeln sich noch zu sehr!«
    »Oh, wie man hört, finden die Vampire das ganz reizend«, kommentierte Ashlynn trocken und hielt das Glätteisen so lange an meinen Haarspitzen, dass es nach angesenktem Horn roch.
    Ich blieb still sitzen und ließ das Prozedere über mich ergehen. Was ich wirklich bedauerte war, dass ich mich später nicht wie ein gewöhnliches Mädchen im Spiegel betrachten durfte.
    Vielleicht stirbst du, ohne dich gesehen zu haben , sagte eine furchtvolle Stimme in mir. Was passiert, wenn sie herausfinden, was du bist? Ein Stich ins Herz mit einer Diamantsonne? Gefangenschaft bei Faylin? Werden sie über dich herfallen wie eine Horde hungriger Wölfe? Mit den Klauen deine Haut

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