Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
Vom Netzwerk:
gehalten.«
    »Einzeln …«
    »Wer den Kampf länger als eine Viertelstunde überlebte, wäre frei, versprachen sie uns. Jeder bekam drei Gegner. Es schaffte nicht einer. Aber sie hatten alle ihren Spaß – dabei zuzusehen, wie wir nacheinander starben, wie sich gestandene Männer vor Angst in die Hose machten.« Schweiß glänzte auf seiner Stirn. »Horreur, Coco, c’ etait la plus grande horreur … schon nach einer Viertelstunde standen wir knöcheltief im Blut unserer Freunde. Es war … terrible. Wir konnten nichts anderes tun, als zu warten, bis wir an der Reihe waren. Alle starben.« Er fuhr sich über die Augen, als wollte er die Bilder fortwischen.
    »Wie bist du entkommen?«
    Er senkte den Kopf. »Raumkrümmung. Es ist mir nur dieses einzige Mal wirklich geglückt.«
    »Du bist geflohen?«
    Er nickte. »Bin nicht stolz drauf. Ich war einer der Letzten, die sie sich vorgenommen hatten. Die Jüngeren kamen zuletzt dran. Ich war ja erst siebzehn.«
    Jünger als ich heute! Mein Gott, Eloi …
    Er lachte hart, strich sich über den fast kahlen Schädel. »Ich konnte nur noch einen Einzigen retten. Lester Hamlin, den Namen werde ich nie vergessen.«
    Lester? War das etwa mein Lester? Er hatte doch etwas über das Medaillon gewusst! Aber für diese Fragen blieb keine Zeit.
    »Hatte einer der Vampire, die euch angegriffen haben, gelbstichige Haare und ein kalkweißes Gesicht?«, flüsterte ich und dachte an Finan. Wenn sie Amanda nicht für sich wollten, dann spräche alles dafür, dass es dieselben gewesen waren, die damals auch meinen Bruder getötet hatten. Spiegelblutjäger, die eine Spiegelseele sofort töteten.
    »Sie hatten alle ein kalkweißes Gesicht.« Eloi lachte nicht. »Bis auf die Lichtträger. Und blond waren auch einige.«
    »Du musst verschwinden. Jetzt!«
    »Aber dann wirst du das Blutmädchen von Damontez bleiben. Und dieser Pontus …«
    »Pontus ist ein Freund. Mach dir keine Sorgen. Und Damontez ist nicht unser Feind, er beschützt mich heute vor Faylin!« Ich fühlte mich erschöpft von der Grausamkeit seines Berichtes.
    »Wirklich?« Eloi runzelte die Stirn, so ganz wirkte er nicht überzeugt von meiner Theorie.
    »Wirklich«, bekräftigte ich. »Und jetzt geh! Amybella wird bestimmt gleich nachsehen kommen.«
    »Wieso hast du mich nach dem Amulett gefragt, Coco?«
    »Einfach nur so.« Ich wollte ihn nicht noch mehr beunruhigen.
    »Sie haben Amanda gefragt, wie sie sterben will …«
    Ich sah ihn nur mit großen Augen an. Ich wollte die Einzelheiten nicht hören, aber es schien, als müsste er sie erzählen, um Frieden zu finden.
    »Ob sie ihr die Diamantsonne von hinten oder von vorne durchs Herz stoßen sollen …«
    Ohne es zu wollen, flüsterte ich: »Was hat sie gesagt?«
    Er legte sich die Hände auf die Ohren, das war schon Antwort genug, er hörte ihre Worte noch heute. »Von vorne.«
    Sein Gesicht verzog sich in einer Qual, die ich nicht kannte, die ich noch nie gesehen hatte. Es war kein Schreien und kein Heulen und beinhaltete doch beides ohne Ton. »Sie hat es ganz leise gesagt, ohne zu weinen, es wurde so … calme, terriblement calme … so verdammt still. Ich glaube, wir alle haben aufgehört zu atmen, wussten, was passieren würde, und hofften wie kleine Kinder auf ein Wunder. Sie war doch ein Spiegelblut, angeblich gesegnet von den Engeln. Wie konnten sie es zulassen?«
    Ein neues, tiefes Verständnis für ihn und seine Geschichte erfüllte mein Herz mit Wärme, trotz all dieser furchterregenden Details. So eine innige Zuneigung hatte ich in all den Jahren nicht mehr für ihn empfunden. Das letzte Mal nach Finans Begräbnis, als er meine Hand genommen hatte und wir wortlos über den Kies durch das Eingangsportal nach Hause gegangen waren. Wer den Tod teilte, war immer verbunden. Jetzt hatte er einen weiteren mit mir geteilt, den Tod des Mädchens, das er geliebt hatte.
    »Ich flüchtete zu deinen Eltern, im sicheren Glauben, all das hinter mir zu lassen. Als dein Vater plötzlich mit diesem Amulett ankam, hat es mir fast den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich habe es sofort wiedererkannt.«
    »Wer hat es ihm gegeben?«
    »Er sagte, er hätte es in einem Trödelladen gekauft. Der Besitzer sei ein junger, blonder Mann gewesen. Soll ein bisschen wie Papageno ausgesehen haben, dieser grässliche Vogelmensch aus der Zauberflöte, der immer so leutselig auf seiner behämmerten Panflöte spielt.«
    »Papageno …« Ich dachte an den Engel vor den Katakomben. »Was wollte

Weitere Kostenlose Bücher