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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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zu gut.
    Sie hatte ihm noch immer nicht verziehen. Bestrafte ihn mit Schmerzen, die kaum zu ertragen waren. Es gelang ihr mühelos, in ihn einzudringen und in seinem Innern ihr Gift zu versprühen.
    Und während das Gift begann, ihn zu lähmen, beschimpfte sie ihn. Sie warf ihm Ausdrücke an den Kopf, die er noch nie gehört hatte. Die er nicht hören wollte . Die schlimmer waren als Schläge und Schmerzen.
    Weil sie ihn an sich selbst zweifeln ließen.
    Er musste die Stimme versöhnen, es zumindest versuchen.
    Bevor nichts mehr von ihm übrig war.
    Doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. Wie eine Schlange zischte sie, sodass er zurückwich, bis die Wand in seinem Rücken ihn stoppte.
    Die Stimme war schrecklich. Sie konnte jede Gestalt annehmen. Und blieb doch immer gleich.
    Ein Monster, dachte er. Du bist ein Monster.
    Und als hätte er es laut ausgesprochen, begann sie zu lachen. Sie lachte, lachte und lachte, und ihr Lachen wuchs zu einem Ballon, gefüllt mit tödlichen Gasen, stieg auf, hoch und höher, und während er am Himmel endlich verschwand, wuchs ein zweiter Ballon, der noch größer wurde, danach ein dritter, und so ging es weiter, immer weiter.
    Solange das Lachen dauerte. Dieses gemeine, grausame, kranke Lachen, das seine Gefühle zerstörte.
    Ich verabscheue dich!
    Der Gedanke war ihm entschlüpft, bevor er es hatte verhindern können. Ängstlich duckte er sich in Schweigen, hoffte, sie würde ihn übersehen.
    Doch da verstummte das Lachen abrupt, und die Stimme schrie ihn an, dass die Wände wackelten.
    ELENDER WURM !
    Entsetzt wich er zurück, taumelte zur Tür und stürzte hinaus. Auch wenn das Unsinn war. Denn so weit er auch lief – die Stimme würde ihn immer finden. Und überall.

22
    Schmuddelbuch, Dienstag, 8. März, Mittag
    Sitze im Alibi, diesem wunderbar vertrauten Ort, an dem ich mich für ein paar Minuten fühle wie immer.Als sei nichts Beunruhigendes passiert und als wär Björn nicht in Gefahr.
    Doch dann holt mich alles wieder ein.
    Habe es in der Redaktion nicht mehr ausgehalten. Bin vor den Blicken geflohen.
    Und nun sitze ich hier.
    Hab mir die Liste, die Björn mir geschickt hat, ausgedruckt.
    Namen.
    Viele von ihnen habe ich noch nie gehört.
    Ich habe fast jeden aufgezählt, der irgendwann in meine Nähe gekommen ist, hat Björn mit seiner flapsigen Ironie dazugeschrieben. Und du weißt ja – ich quatsche alle Leute an, die nicht bei drei auf den Bäumen sind ;-).
    Mein Schmunzeln wird von einem Typen am Nebentisch als Flirtversuch missverstanden. Er schickt mir ein filmreifes Lächeln. Gestatten? Mein Name ist Bond. James Bond.
    Ja, ja, denke ich, geschüttelt, nicht gerührt. Oder war’s umgekehrt? Bevor er auf die Idee kommt, sich zu mir zu setzen, nehme ich mir wieder die Liste vor.
    Siebenundfünfzig Namen, nicht schlecht. Mein Bruder kommt herum.
    Hinter jedem Namen hat er die Art der Beziehung beschrieben.
    Bruno Jessen – sitzt meistens in der Cafeteria und schreibt (Slam Poetry).
    Kalle Wisius – gibt Essen in der Mensa aus.
    Kerim Yilmaz – netter Typ, der neben dem Studium in der Unibibliothek jobbt.
    Ted Maurer – Kommilitone.
    Barry – lebt auf der Straße. Gebe ihm immer was, wenn ich ihn treffe.
    Will Becker – hat einen Kiosk hier in Buschdorf.
    Jeden Namen, der mir auf den ersten Blick unverdächtig erscheint, versehe ich mit einem Häkchen und reduziere die Liste so um die Hälfte. Doch dann frage ich mich, aus welchem Grund ich den Kioskbesitzer oder den Typen, der meinem Bruder das Fahrrad repariert hat, eigentlich für harmlose Bürger halte.
    Und streiche alle Häkchen wieder aus.
    Die Sonderkommission umfasste siebzig Kollegen und arbeitete auf Hochtouren. Trotzdem waren die morgendlichen Besprechungen frustrierend.
    Sie kamen zu langsam voran.
    Unzählige Menschen waren befragt worden. Zuletzt die Lokführer und Zugbegleiter der Züge, die um die Tatzeit herum am Tatort vorbeigefahren waren, und die Besatzung der Schiffe, die um eben diese Zeit den Rhein in Höhe des Tatorts passiert hatten.
    Ohne Ergebnis.
    Sie hatten über die Presse um Hinweise gebeten, die dann auch wie eine Flutwelle über sie hereingebrochen waren. Wie immer hatten sich die Namenlosen, die sich nirgends sonst Gehör verschaffen konnten, wichtigzumachen versucht, hatten sich all die Verwirrten und Verirrten gemeldet. Es war enorm zeitraubend, die Spreu vom Weizen zu trennen. Und enorm deprimierend, dass bisher jede Information bei näherem Betrachten in sich

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