Spiegelschatten (German Edition)
ließen sich erstaunlich gut zubereitete Königsberger Klopse schmecken.
» Ich denke auch, dass es hier um Homophobie geht«, nahm Rick den Faden wieder auf. » Obwohl ich nicht begreife, warum sich der Täter ausgerechnet an den Freundeskreis um Björn Berner hält. Wenn er Schwule hasst, dann findet er die doch überall.«
» Nehmen wir an, er gehört selbst zu dem Freundeskreis.«
» Und ist schwul? Oder hetero?«
» Beides ist möglich. Nach Björn Berners eigenen Angaben hat er mehr hetero- als homosexuelle Freunde.«
» Björn Berner«, überlegte Rick, » muss nicht unbedingt die zentrale Figur sein. Josch Bellmann war doch der eigentliche Drahtzieher bei der Planung und Organisation der Trauerfeier oder?«
» Es geht, glaube ich, nicht darum, wen wir als Mittelpunkt sehen«, sagte Bert. » Oder wen die Freunde selbst dafür halten. Es geht darum, dass der Täter Björn Berner dazu gemacht hat.«
» Durch die Drohungen.«
» Exakt.«
» Aber wir wissen nicht definitiv, ob die Opfer nicht auch Vorankündigungen dieser Art erhalten haben.«
» Unwahrscheinlich. Wir haben nichts dergleichen im Besitz der Toten gefunden. Außerdem hätte doch irgendjemand aus ihrem Umfeld davon erfahren müssen.«
» Warum macht der Täter bei Björn Berner eine Ausnahme?«, fragte Rick zum wiederholten Mal und rieb sich müde übers Gesicht. » Und wieso der Einschüchterungsversuch bei seiner Schwester?«
Er war noch nicht fit und bürdete sich viel zu viel auf.
» Vielleicht hat der Täter die Reihenfolge seiner Taten gar nicht festgelegt«, spekulierte Bert. » Vielleicht überlässt er sie dem Zufall und schlägt zu, wenn sich ihm eine günstige Gelegenheit bietet.«
» Aber er plant doch ziemlich genau«, widersprach Rick.
» Er kann so etwas wie ein Gesamtkonzept entwickelt haben«, sagte Bert, » und innerhalb dieses Konzepts bleibt er flexibel, was die Auswahl der Opfer und die Tage angeht, an denen er tötet. Denk an das graphologische Gutachten, Rick. Der Täter wird beschrieben als sensibel und kalt, hochintelligent und unkontrolliert, unsicher und dominant. Lauter Gegensätze, zwischen denen er hin und her pendelt. Und so könnte es auch bei seinen Taten sein: Sie sind perfekt geplant und dennoch spontan.«
» Hört sich verrückt an, wenn du mich fragst.« Rick schob seinen leeren Teller beiseite.
» Und da sind wir bei der Persönlichkeitsstörung angelangt. Wir suchen nach einem waschechten Psychopathen, Rick. Einem Menschen ohne jegliches Mitgefühl, ohne Skrupel und ohne Gewissen.«
» Manipulativ, egoman und machtbesessen.«
» Charmant und gewinnend.«
» Kaltblütig, grausam und erfinderisch.«
» Passt einer der jungen Männer, die wir bislang befragt haben, für dich in dieses Bild?«, fragte Bert.
Rick überlegte. Dann schüttelte er den Kopf.
Genauso erging es Bert.
Das konnte zweierlei bedeuten. Entweder, sie waren ihm noch nicht begegnet. Oder sie hatten ihn nicht erkannt. Denn niemand tarnte sich besser als ein Psychopath.
*
Sie entdeckte Maxim auf den ersten Blick, obwohl es im Café Reichard brechend voll war. Er hatte einen Fenstertisch im Pavillon ergattert, mit einem überwältigenden Blick auf den Dom. Und wie er so dasaß und gedankenverloren hinausschaute, begriff Romy, warum ihr Bruder sich in ihn verliebt hatte.
Die Sonne hatte sich aus der Wolkendecke hervorgekämpft und überschüttete ihn mit Licht. Für einen Moment sah er aus wie ein Engel.
Dann schoben sich die Wolken wieder vor die Sonne und der Engel verwandelte sich in Maxim zurück. Entdeckte Romy und winkte ihr zu.
Noch vor einer Woche hätte Romy jeden für verrückt erklärt, der ihr gesagt hätte, sie würde sich freiwillig mit dem Geliebten ihres Bruders treffen. Und das hinter Björns Rücken.
Doch nun war sie hier.
Er lächelte ihr zu, erhob sich und wollte ihr aus der Jacke helfen.
» Danke«, wehrte sie ab. » Nicht nötig.«
Sie wurschtelte sich aus der Jacke und blieb prompt mit der linken Hand im Futter hängen. Maxim tat so, als würde er ihr Gezappel nicht bemerken. Schon wieder etwas, das Romy verwunderte. Seit wann benahm er sich so, als könnte er sie leiden?
Weil er was von mir will, dachte sie, und bekam endlich ihre Hand frei. Sie hängte die Jacke über die Rückenlehne ihres Stuhls und setzte sich.
Ein Stück Torte hatte sie sich schon an der Theke ausgesucht. Bei der Serviererin bestellte sie sich einen Cappuccino. Auch Maxim gab seinen Bon ab. Er entschied sich für einen
Weitere Kostenlose Bücher