Spiegelschatten (German Edition)
darin abgestellt war. Vielleicht würden die alten Leute ihn später nachholen, oder sie hatten das Autofahren aufgegeben und würden den Wagen verkaufen.
Oder einfach hier vergessen, dachte Maxim.
In diesem Moment trat ein Mann von etwa siebzig Jahren aus dem Nachbarhaus und kam auf sie zu.
» Guten Abend«, stellte er sich vor. » Mein Name ist Klopstock. Hatten Sie eine gute Fahrt?«
Klopstock, dachte Maxim und musste sich ein Grinsen verkneifen. Ausgerechnet. Neben ihm versuchte Björn verzweifelt, Fassung zu wahren.
Klopstock im Dichterviertel.
Das hatte was.
» Danke«, sagte er. » Mal abgesehen von dem Regen.«
» Ja, ja, der Regen.« Herr Klopstock blickte blinzelnd zum Himmel auf. Dann rieb er sich über das nasse Gesicht. » Das geht schon eine ganze Weile so. Aber es soll besser werden.«
» Prima«, sagte Björn und nickte freundlich.
» Wie lange werden Sie bleiben?«, wollte Herr Klopstock wissen.
» Das kommt darauf an«, antwortete Björn. » Eine Woche oder zwei. Vielleicht auch länger.«
» Schön, dass wieder Leben in das Haus einzieht.« Herr Klopstock blickte über die Schulter zu den einsamen dunklen Fenstern. » Wenn Sie Fragen haben, melden Sie sich doch bitte. Meine Frau und ich stehen Ihnen gern mit Rat und Tat zur Seite.«
» Danke«, sagten Maxim und Björn gleichzeitig.
» Kommen Sie allein zurecht oder soll ich Sie durchs Haus führen?«
» Machen Sie sich bitte keine Mühe«, sagte Björn. » Aber sobald Probleme auftauchen, nehmen wir Ihr Angebot gern an.«
» Ich verlasse mich darauf.« Herr Klopstock reichte Björn den Schlüssel und zog sich die Kappe tiefer ins Gesicht. » Entschuldigen Sie mich. Bin froh, wenn ich wieder ins Warme komme.«
Mit diesen Worten verabschiedete er sich.
Die Haustür knarrte, als Björn sie aufschob. Sie betraten eine dunkle Diele, in der es nach abgestandener Luft roch. Maxim tastete nach dem Lichtschalter, und als er ihn schließlich fand, leuchtete eine Deckenlampe auf, die ein schwaches, trübes Licht von sich gab.
Es fiel auf eine Garderobe, an der noch eine schwarze Windjacke hing, eine Kommode, auf der neben einem schnurlosen Telefon zwei Telefonbücher lagen, einen zerschlissenen Perserteppich, einen Schirmständer mit zwei Stockschirmen und eine leere Einkaufstasche, die verloren an der Wand lehnte. Eine geflieste Treppe führte in den Keller. Über eine Holztreppe gelangte man ins Obergeschoss.
Maxim schluckte. Er fühlte sich auf einmal eingesperrt in dieser kleinen Diele. Bekämpfte mit Herzklopfen den Drang, wieder auf die Straße zu laufen. Es gab Räume, die diese Wirkung auf ihn hatten, und er wünschte sich sehnlichst, dass die Zimmer nicht so beengend wären.
Von der Diele aus ging es rechts in ein kleines Gäste- WC . Auf der linken Seite befand sich eine Wohnküche, in der ein moderner, schlichter Eichentisch mit einem gemütlichen grünen Samtsofa und vier hochlehnigen braunen Lederstühlen stand. Geradeaus gelangte man in ein großes Wohnzimmer, das hauptsächlich mit antiken Möbeln ausgestattet war und einen Kamin besaß. Die Wände waren mit Bildern vollgehängt. Porträts. Landschaftsstudien. Aktmalerei. Auf einem schwarzen Klavier stand eine Bronzebüste.
Von innen betrachtet, waren die Gardinen gar nicht so deprimierend. Sie hatten am Saum sogar ein dezentes Blumenmuster, das durchaus fröhlich wirkte. Auch in diesem Raum stand ein Esstisch, jedoch war er eine Spur feiner als der in der Küche. Mit den stoffbezogenen Stühlen hätte er in jeder eleganten Villa zu finden sein können. Die Decke, die ihn schmückte, war geklöppelt. Maxim erkannte das daran, dass sie aussah wie die Lieblingsdecke seiner Mutter, die schon seit Generationen in der Familie vererbt wurde.
Fast der gesamte Holzboden war mit Teppichen und Läufern belegt, als hätten die Bewohner sich nicht für ein Einzelstück entscheiden können. Neben einem der beiden Chippendale-Sessel war ein Paar grauer Pantoffeln abgestellt, auf dem Sofa lag zusammengefaltet eine cremefarbene Kaschmirdecke.
In einem Bücherschrank mit Glastüren war statt Büchern wertvoll aussehendes Porzellan untergebracht. Auf einem langen Sideboard rahmten zwei goldene Kerzenleuchter eine Kristallschale mit eingetrockneten Pralinen und eine Specksteinkatze in Lebensgröße ein.
Schon bei ihrem Anblick fühlte Maxim es in der Nase kribbeln. Er hatte Katzen noch nie gemocht. Minette hatte ihm nur einen Grund mehr geliefert.
Im Obergeschoss gab es ein Schlafzimmer,
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