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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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ein Badezimmer und zwei Räume, die früher wahrscheinlich Kinderzimmer gewesen waren, zuletzt aber offenbar als Arbeits- und Bügelzimmer gedient hatten. Im Bügelzimmer stand noch ein aufgeklapptes Bügelbrett mit Bügeleisen. Der kleine Fernseher auf dem niedrigen Tisch in der gegenüberliegenden Ecke hatte wohl die Aufgabe gehabt, die Anstrengungen des Bügelns zu versüßen.
    Im Arbeitszimmer dominierten die Bücher, die alle vier Wände bedeckten. Vom Schreibtisch aus hatte man einen Blick in das Geäst eines mächtigen Baums, dessen zaghafter grüner Schimmer noch nicht verriet, um welche Art Baum es sich handelte.
    Ahorn, tippte Maxim. Er hatte die freundlichen Blätter des Ahorns schon immer geliebt. Es war auch ein Ahorn gewesen, in dessen Laub er sich versteckt hatte, wenn es mit seinem Vater mal wieder durchgegangen war.
    Nicht erinnern, dachte er. Bloß nicht erinnern.
    Er hatte seine Kindheit hinter sich gelassen.
    Sie war erledigt.
    Aus und vorbei.
    Die Decken der oberen Räume waren mit Holz verkleidet, wirkten jedoch nicht drückend, weil sie eine angenehme Höhe besaßen. Vom Flur aus konnte man über eine Luke auf den Dachboden gelangen.
    Im Badezimmer lag noch ein Hauch vom Duft verschiedenster Toilettenartikel. Doch vielleicht bildete Maxim sich das auch nur ein, denn auf den Ablageflächen reihten sich Badezusätze, Shampoos, Körperlotions, Parfüme und Rasierwasser, als wären die Bewohner bloß mal eben für ein, zwei Tage weggefahren und als könnten sie jeden Moment zurückkehren.
    Einzig die Kälte und der Staub auf den Möbeln sprachen eine andere Sprache.
    Das Haus war verlassen. Aufgegeben.
    Es trauerte um seine Bewohner.
    Auch die Kellerräume. Die Regale im Vorratsraum waren immer noch gut bestückt. Neben einem reichhaltigen Angebot an Obst und Gemüse in Gläsern und Dosen gab es jede Menge Nudeln, Reis, passierte Tomaten, Maiskörner und Cocktailwürstchen, alles bedeckt von einer feinen Schicht aus Staub.
    » Verhungern werden wir jedenfalls nicht«, sagte Maxim.
    » Aber die Sachen gehören uns nicht«, widersprach Björn.
    Maxim nahm sich einen Schokoriegel, zögerte und legte ihn seufzend wieder zurück.
    Wäschekeller, Heizungskeller und Gerümpelkeller. Am Ende des langen Gangs eine graue Stahltür, die in den Garten führte.
    Erleichtert stellte Maxim fest, dass sie verschlossen war. So leicht würde niemand hier eindringen.
    Sie nahmen die Bedienungsanleitung für die Heizung mit nach oben und warfen einen Blick in die Küchenschränke. Mehl, Zucker, Mandeln, Rosinen. Trockenkräuter, Essig, Öl. Nudeln, Reis und Gewürze. Das eine oder andere Fertiggericht. Geschirr für den täglichen Bedarf. Töpfe, Siebe. Auflaufformen.
    Der leere Kühlschrank war ausgeschaltet und stand einen Spaltbreit offen. Björn schob den Stecker in die Steckdose und mit einem altersschwachen Ruckeln sprang der Motor an. Die wichtigsten Lebensmittel hatten sie mitgebracht. Morgen würden sie kaufen, was sie sonst noch brauchten, falls Björn darauf bestand, die Vorräte hier im Haus nicht anzurühren.
    Er war hartnäckig, wenn es um seine Überzeugungen ging. Auch das liebte Maxim an ihm, selbst wenn es mitunter reichlich anstrengend war.
    » Okay«, sagte Maxim. » Ich versuche mich jetzt mal an der Kaffeemaschine, damit ich meinen Brummschädel loswerde, und du kannst die Katze schon mal aus dem Auto holen.«
    Wie ein Blitz schoss Björn hinaus.
    Kurz darauf hatten sich die Schmerzen aus Maxims Kopf zurückgezogen, die Katze war sicher im Arbeitszimmer verwahrt, der Wagen entladen und Björn hatte sich mit einem kurzen Anruf bei Gregory Chaucer bedankt.
    Endlich waren sie auch innerlich angekommen.
    Und jetzt saßen sie beim Abendessen und planten den nächsten Tag.
    » Ich bin so froh, dass wir hier sind«, sagte Maxim.
    Björn nickte. » Ich auch. Es ist seltsam, in einem Haus zu wohnen, in dem noch die Anwesenheit der Besitzer zu spüren ist. Aber es tut gut, einen Ort gefunden zu haben, an dem wir sicher sind.«
    » Ja.« Maxim lächelte ihn zärtlich an. » Hier sind wir sicher.«
    Und als es kurz darauf über ihnen knarrte, grinsten sie, weil sie wussten, dass es nur das alte Haus mit dem vielen Holz war, das diese Geräusche machte. Nur das Haus und nichts, was für sie bedrohlich werden konnte.

27
    Schmuddelbuch, Mittwoch, 9. März, bald Mitternacht
    Björn hat angerufen. Sie sind angekommen. Gut. Gut. Gut. Vor Erleichterung bin ich Ingo um den Hals gefallen. Er war völlig überrumpelt

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