Spiegelschatten (German Edition)
verloren hatte, und als Frau war sie gegen ihn praktisch chancenlos.
Aber reichte das aus, um sie dazu zu bewegen, einen Auftragsmörder anzuheuern? Und hatte sie Zeit und Gelegenheit gehabt, die Gewohnheiten der Opfer so gründlich zu studieren?
Die Erkenntnis, dass es sich bei dem Täter definitiv um einen schwarzhaarigen Mann handelte, bedeutete tatsächlich einen großen Schritt nach vorn. Eine Kollegin hatte sich daraufhin noch einmal den Freundes- und Bekanntenkreis von Björn Berner vorgenommen und die Namen auf ihrer Liste um mehr als die Hälfte reduzieren können.
Bert starrte auf die aktuelle Zusammenstellung, bis ihm die Augen tränten. Nichts. Kein Geistesblitz, keine Eingebung. Dabei war nicht damit zu rechnen, dass der Täter aufhören würde. Im Gegenteil. Wie Bert ein nahendes Gewitter erahnte, so spürte er, dass Unheil in der Luft lag.
Es war an der Zeit.
Der Täter hatte sich sein nächstes Opfer bereits ausgesucht.
Ganz sicher.
*
Maxim hatte sich ins Wohnzimmer zurückgezogen, und Björn beschloss, ihn erst mal in Ruhe zu lassen. Er nutzte die Zeit, um Minette zu suchen. Ihr seltsames Verhalten erschien ihm immer unbegreiflicher.
Er nahm sich systematisch ein Zimmer nach dem andern vor, kroch auf dem Boden herum, schaute unter jedes Möbelstück und hinter jeden Vorhang, hob jedes Kissen an und jedes irgendwo abgelegte Kleidungsstück. Im Arbeitszimmer warf er einen Blick hinter jede einzelne Bücherreihe, er krempelte den gesamten Keller um.
Ohne Erfolg.
Unzufrieden kehrte er ins Erdgeschoss zurück. Er klopfte an und betrat das Wohnzimmer erst, nachdem Maxim ihm geantwortet hatte.
» Hast du sie gefunden?«, fragte Maxim. Seiner Stimme war kein Ärger mehr anzuhören.
Björn schüttelte den Kopf. Er machte Licht und setzte sich zu Maxim aufs Sofa. » Bist du noch sauer?«
» Nein.« Maxim nahm seine Hand. » Kein bisschen.«
» Ich weiß nicht«, sagte Björn zögernd. » Etwas in diesem Haus ist… böse.«
» Böse?« Maxim ließ seine Hand los. » Dreh jetzt nicht durch, Björn. Nur weil wir uns mit einer verrückten Katze in einem fremden Haus befinden, sollten wir nicht anfangen, böse Schwingungen zu fühlen.«
» Spürst du es denn nicht auch?« Björn ließ nicht locker. » Seit wir hier sind, läuft nichts mehr rund.«
Maxim stieß genervt den Atem aus.
» Was ist mit deiner Wunde?«, lenkte Björn ab, um ihn nicht erneut zu reizen.
» Nicht der Rede wert.« Maxim zog die Füße aufs Sofa. » Die verheilt von allein.«
Davon war Björn nicht überzeugt, doch er widersprach nicht. Die Stimmung zwischen ihnen war angespannt. Sie mussten aufpassen, dass nicht ein Streit daraus wurde.
Maxim wandte sich wieder dem Reisemagazin zu, das er sich angesehen hatte, bevor Björn ins Zimmer gekommen war. Geysire sprühten dampfend heiße Wasserfontänen in die kalte Luft. Der Reporter ließ sich lang und breit über das Naturschauspiel aus.
Björn konnte sich nicht auf die Sendung konzentrieren. Außerdem knurrte ihm der Magen. » Hast du Hunger?«, fragte er.
Maxim schüttelte den Kopf. Er kämpfte schon wieder gegen den Schlaf.
Björn ging in die Küche und schmierte sich zwei Scheiben Brot. Er goss Milch in einen Becher, nahm einen Joghurt aus dem Kühlschrank, gab alles auf ein Tablett und trug es ins Wohnzimmer.
Maxim war eingenickt. Sein Hosenbein war hochgerutscht, und Björn sah, dass der Verband sich mit Blut vollgesogen hatte. Er stellte das Tablett ab und beugte sich über Maxim, um ihn aufzuwecken. Der Verband musste erneuert werden.
War es nicht ein schlechtes Zeichen, dass die Wunde nicht aufhörte zu bluten?
Maxim lag auf der Seite und sein Haar gab den Nacken frei. Björns Blick fiel auf die Kratzer, die man sonst nicht sehen konnte. Sie schienen sich leicht entzündet zu haben.
» Hallo, du«, sagte er leise. » Wach auf. Die Wunde blutet. Und die Kratzer an deinem Hals sollten besser auch versorgt werden.«
Maxim schlug die Augen auf. Er legte den Kopf in den Nacken, sodass sein Haar die Verletzungen bedeckte.
» Wo hast du dir die eigentlich geholt?«, fragte Björn. »War das wirklich Minette?«
» Du wirst es nicht glauben– ich hab keine Ahnung. Muss im Schlaf passiert sein. Oder…«, seine Stimme wurde zärtlich und weich, » oder es ist ein Andenken an dich.«
Björn ging ins Badezimmer, um das Verbandszeug zu holen. Er war verwirrt. Noch nie hatte er Maxim bei der Liebe wehgetan.
*
Diesmal erlaubte Maxim Björn, seine Wunde zu verarzten.
Weitere Kostenlose Bücher