Spiegelschatten (German Edition)
nirgends zu entdecken waren.
Bert näherte sich dem vollgestopften Bücherregal. Shakespeares Dramen. Short Stories von Hemingway, Steinbeck und Maugham. Die Tagebücher von Virginia Woolf. Anderthalb Meter Agatha Christie. Jede Menge Henry Miller und Charles Bukowski. Moderne Autoren, die Bert zum Teil unbekannt waren, aber auch Klassiker wie Richardson, Fielding und Defoe. Und alles auf Englisch.
» Schau dir das an!«
Rick folgte Berts Aufforderung und pfiff durch die Zähne. » Meinst du, der hat die alle gelesen?«
» Die Bücher sehen jedenfalls danach aus.«
» Stumpfe Gewalteinwirkung«, rekapitulierte Rosenbaum neben ihnen. » Mit einem schweren Gegenstand, der hier nirgends zu finden ist. Die Wunde oberhalb der linken Schläfe. Genau wie bei eurem…«
» Leonard Blum«, sagte Rick.
Rechtshänder, dachte Bert. Ein Linkshänder hätte den Schlag nicht so kräftig und nicht so präzise ausführen können.
» Woran denkst du?«, fragte Rick.
» Daran, dass wir es aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich mit ein und demselben Täter zu tun haben. Und dass er, den Wunden nach, Rechtshänder sein muss.«
Wie der Großteil der Bevölkerung, dachte Bert frustriert.
» Ein Serientäter?«, fragte Rick.
Bert nickte. Er tauschte einen Blick mit Rick und Titus Rosenbaum und erkannte in ihren Augen, dass sie genau dasselbe dachten:
Es würde weitere Morde geben.
So lange, bis sie den Täter stoppten.
Als die Kollegen von der Spurensicherung die Wohnung betraten und die Räume mit Geräuschen und Bewegung füllten, spürte Bert mit Erleichterung, wie sich der Tod ganz allmählich zurückzog, um dem Leben wieder Platz zu machen.
Fürs Erste.
Bert atmete tief ein, bevor er sich zum Gehen wandte.
9
Schmuddelbuch, Donnerstag, 3. März, vierzehn Uhr
Sitze im Alibi und warte auf mein Baguette.Alles hier erinnert mich an Cal. Ich bin froh, dass die Schauspielschule ihm keine Zeit lässt, auch tagsüber zu arbeiten. So ist die Gefahr gering, dass er mir unerwartet über den Weg läuft.
Björn hat mich noch einmal angerufen und mich für heute Abend eingeladen. Abschiedsfeier für Maxim. Hab versucht, mich da rauszuwinden, aber Björns Stimme war so voller Hoffnung, dass ich ihm den Wunsch nicht abschlagen konnte.
Angeblich soll Maxim ihn ausdrücklich gebeten haben, mich einzuladen.
» Ein paar Freunde«, hat Björn gesagt. » Wir haben zuerst überlegt, ins Kino zu gehen, doch es werden zu viele.Also haben wir einen Abend bei mir in der Wohnung geplant. Bringst du was zu trinken mit? Oder einen Salat oder so?«
Werde noch ein bisschen ranklotzen und mich dann gegen sechs auf den Weg machen. Soll Cal doch sehn, wo er bleibt. Er kann es sich ja mit seinen neuen Schauspielerfreunden gemütlich machen.
Und mit Lusina.
Klingt bitter, ich weiß, aber das ist mir egal.
Fast hätte ich mit diesem Mädchen darüber gesprochen. Jette.
Sie ist fast eine Stunde geblieben, und wir haben miteinander geredet wie alte Freundinnen.Als würden wir uns schon ewig kennen.
Wir haben unsere Adressen ausgetauscht und unsere Handynummern. Der erste Schritt. Bin gespannt, auf welchen Weg er führt.
Calypso hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Er fragte sich, was mit Romy los war. Etwas sagte ihm, dass ihr Verhalten mit Lusina zu tun hatte. Doch das war unmöglich. Romy hatte nicht das zweite Gesicht. Sie konnte Lusina und ihn bei ihrem Spaziergang nicht beobachtet haben.
Und wenn sie doch in der Nähe gewesen war?
Quatsch. Das kann nicht sein.
Andrerseits war Romy unberechenbar. Hier in Nideggen aufzutauchen, bloß um ihm zu sagen, dass sie ihn liebte– oder sauer auf ihn war, je nachdem– war ihr durchaus zuzutrauen. Gerade in ihre bedingungslose Spontaneität hatte er sich einmal unsterblich verliebt.
Am Morgen musste sie auf Zehenspitzen aus dem Haus geschlichen sein. Obwohl er die Wohnungstür nur angelehnt gelassen und immer wieder ins Treppenhaus gehorcht hatte, war sie unbemerkt verschwunden. Seine Anrufe nahm sie nicht entgegen. Und nun saß er im Orson, und die Gedanken wirbelten ihm durch den Kopf.
Sollte er versuchen, sie in der Redaktion zu erwischen?
Um was zu tun? Was zu sagen?
Hallo, Süße, du verdächtigst mich doch nicht etwa, dich zu betrügen?
Und was hieß eigentlich betrügen? Wo stand denn geschrieben, der Mensch sei monogam veranlagt?
Jedes Mal, wenn er aufschaute, begegnete er Lusinas Blick.
Sie war da.
Wartete.
Und wo fing der Treuebruch an? War nicht schon die Sehnsucht nach
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