Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
noch.“
36 | Schlimmer geht immer
„Fährst du mich nach Hause?“, fragte Sam. Sie standen vor Sorghardts Auto, dessen Schlüssel Sam dem Polizisten ausgehändigt hatte, nachdem sie ihre Tasche heraus geholt hatte.
„Ich muss mich hier noch um einiges kümmern, aber ich werde einen Kollegen bitten, dich zu fahren“, sagte Gregor.
Zwanzig Minuten später wurde Sam vor ihrem Haus abgesetzt. Die Ereignisse hatten sie ziemlich mitgenommen. Sie verstand es zwar, körperliche Auseinandersetzungen für sich zu entscheiden, aber jemandem mit einer Schusswaffe gegenüber zu stehen war etwas ganz anderes. Die aufgestaute Anspannung und Angst, die sie in der Pension mit ihrer Coolness überspielt hatte, brach jetzt, wo sie alleine war, mit voller Wucht über sie herein. Obwohl sie schon viel erlebt hatte, war das, was sie gesehen und gehört hatte, unfassbar für sie. Während sie ihre Einfahrt hinunterlief, spürte sie, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Nur verschwommen nahm sie die Schmiererei wahr, die seit kurzem den Boden der Auffahrt verschandelte. Sie musste es auch nicht genau erkennen, um sich an die Herkunft der beiden Zahlen zu erinnern. Eine Sechs und eine Fünf standen da, und sie waren dort hingesprüht worden von … verdammt, was hatte Sorghardt erzählt? Der Jetta war auf den Namen Bruno Kaufling angemeldet! Das bedeutete, dass sie es die ganze Zeit mit zwei verschiedenen Dingen zu tun gehabt hatte! Deshalb passte es auch alles nicht so richtig zusammen. Der platte Reifen, die zerbrochenen Scheiben, der Unfall von Michael, das missglückte Brandattentat … und der Mord an Jan. Das alles ging gar nicht auf die Kappe derjenigen, die für Deborahs Tod verantwortlich waren. Fortwährend war Sam davon ausgegangen, dass es einen gemeinsamen Drahtzieher gab, doch lediglich ein großer Zufall hatte zwei verschiedene Verbrechenslinien zeitlich zusammengelegt. Die Zahlennachrichten hatten von Anfang an ihr gegolten, ihr, und nur ihr alleine. Auch Jans gewaltsames Ableben. Letzten Endes war es ihm zum Verhängnis geworden, dass er Sams Freund gewesen war. Nur wegen seiner Verbindung zu Sam war er durch Kauflings Hand ums Leben gekommen. Ihr Innerstes wehrte sich gegen diese Erkenntnis, aber es war zu offensichtlich, um es beiseite schieben zu können. Ein Gefühl baute sich in ihr auf, ein Gefühl, das neben der Liebe die stärkste treibende Kraft auf der Welt war: Hass. Ein Hass auf den Mann, den sie in einem anderen Leben, wie es ihr heute schien, seiner gerechten Bestrafung zugeführt hatte.
Die plötzliche Kälte, die sie überfallen hatte, vertrieb die Tränen aus ihren Augen. Es war noch nicht vorbei. Noch durfte sie sich nicht gehen lassen. Verdammt, warum hatte sie es versäumt, Gregor davon zu erzählen? Das war das Erste, was sie gleich tun musste. Sie betrat ihr Haus und deaktivierte die Alarmanlage. Nika schien nicht da zu sein. Zum Glück. Sie wäre alleine nicht sicher in dem Haus gewesen. Wenn Bruno Kaufling nicht davor zurückgeschreckt hatte, sich an Jan und Michael zu vergreifen, dann würde er auch vor Nika nicht Halt machen.
Genau bei diesem Gedanken hatte sie das Gefühl, als würde ein Stromstoß durch ihren Körper gehen. Nika würde die nächste sein!
Was hatten sie ausgemacht, bevor Nika zur Uni gefahren war? Gar nichts. Sie hatten überhaupt nicht darüber gesprochen, ob das Mädchen am Abend wieder kam, zu ihren Eltern fuhr oder vielleicht eine Bandprobe hatte. Aber sie kannte Nika mittlerweile gut genug um zu wissen, dass sie wieder kommen würde. Wo Nika über Tag gewesen war, konnte Kaufling nicht wissen, denn er hatte die Verfolgung aufgegeben, nachdem Sam ihm offen gezeigt hatte, dass er nicht unbemerkt geblieben war. Aber wenn er vor Sams Haus gewartet hatte …
Noch während die Gänsehaut sich auf ihrem Rücken ausbreitete, holte Sam ihr Handy aus der Tasche, um Nika anzurufen. Das Gerät meldete eine neu eingegangene SMS. Mit zitternden Fingern öffnete Sam die Nachricht und erblasste, als sie den Text las:
„6 mal hattest du zugeschlagen, 6 mal habe ich zugeschlagen. jetzt bist DU dran kleine samantha!“
Ohne ihr Zutun kam die Erinnerung zurück. Wieder stand sie in der Kellertür und erkannte auf den ersten Blick, was die Szenerie zu bedeuten hatte. Der sich rhythmisch bewegende Mann hatte ihr den Rücken zugewandt. Von dem Jungen konnte sie kaum etwas erkennen. Obwohl sie noch ein Kind war, hatte sie überhaupt keine Angst. Ein kurzes Umherschweifen des
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