Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
Blickes ließ sie den schweren Kerzenleuchter entdecken, der fast in Reichweite neben der Tür stand. Fast automatisch nahm sie den Gegenstand und lief damit zu dem Mann, der sie nicht zu hören schien. Dann holte sie aus und ließ den Leuchter zweimal auf den Kopf des Mannes niederfahren. Sie hatte Angst, ihn zu erschlagen, deshalb waren die Schläge offenbar nicht fest genug gewesen. Der dritte und vierte Schlag trafen nicht richtig, weil der Mann sich plötzlich bewegte. Das alles war sehr leise passiert, denn der Mann gab nicht einmal einen Schmerzensschrei von sich. Der fünfte Hieb gebot seiner Bewegung Einhalt. Unter dem sechsten, nun mit beiden Händen ausgeführten Schlag, brach der Mann über dem Jungen zusammen.
„Sechs mal habe ich zugeschlagen“, flüsterte Sam. „Nika!“
Mit fahrigen Bewegungen wählte sie aus dem Telefonbuch ihres Handys die Nummer von Nika aus und drückte den grünen Knopf zum Wählen. Die Mailbox antwortete mit Nikas Stimme. Doch es war keine normale Mailboxansage. Die Worte ließen Sam das Blut in den Adern gefrieren: „Leg nicht auf, Samantha, sondern höre dir den Text an! Bruno hat mich. Er sagt, du weißt, wer er ist. Du sollst nicht die Polizei anrufen, sonst sehe ich aus wie Jan. Er wird sich bei dir melden.“ Dann kam der Piepton.
Trotz ihrer körperlichen Fitness wurde Sam schwindelig. Für einen Moment musste sie sich an der Wand anlehnen. Sie merkte, wie hektisch sie atmete.
‚Ruhig!‘, ermahnte sie sich im Geiste. ‚Wenn du schwach bist, wirst du verletzt …‘
Mit aller Kraft zwang sie sich dazu, tief durchzuatmen. Ihre Gefühle für Nika, die sie ohnehin nicht eindeutig zuordnen konnte, verbannte sie in einen abgelegenen Winkel ihrer selbst, den sie umgehend verschloss.
Einen Plan konnte sie nicht machen, da sie nicht wusste, was auf sie zukam. Aber sie würde warten und dann kurzfristig reagieren.
An diesem Tag hatte sie es bereits mit einer ganzen Gruppe von Verbrechern aufnehmen können. Bruno Kaufling war ein einzelner Mann. Aber, er hatte Nika in seiner Gewalt.
Das Schlimmste würde das Warten sein. Sobald sie ihm gegenüber stand, würde sie handeln können. Bis dahin musste sie die Ruhe bewahren. Abwarten und sich ablenken. Nicht an Nika denken.
Aber wie würde das gehen? Konnte sie vielleicht doch schon vorher etwas machen? Hatte sie irgendeine Möglichkeit, ihn ausfindig zu machen? Von einem jähen Aktionsdrang getrieben rannte sie die Treppe hinauf. Im Büro startete sie ihren Computer, der doppelt so lange wie sonst zu brauchen schien, um raufzufahren. Dann suchte sie in den Onlinetelefonbüchern nach Bruno Kaufling. Ohne Ergebnis.
Sollte sie zur Polizei gehen? Aber Kaufling hatte mehrmals bewiesen, dass er Ernst machte. Sam war davon überzeugt, dass er keine Sekunde zögern würde, Nika umzubringen. Damit war die Polizei eine sehr schlechte Alternative.
Konnte sie Gregor involvieren und davon überzeugen, dass er seine Kollegen aus dem Spiel ließ? Sam überdachte diese Idee. Gregor war ein guter Polizist, der von der Arbeit der Polizei überzeugt war. Es war seine Pflicht, wenn ihm etwas derartiges zu Ohren kam, seine Kollegen zu informieren. Wie sehr konnte sie sich auf ihn verlassen? Und was waren die Alternativen?
Ihr Handy klingelte. Ein Blick aufs Display zeigte einen unbekannten Anrufer. „Ja“, meldete sie sich kurz.
„Samantha“, kam eine hässliche Stimme. Sam erkannte sie nicht. Es war zu lange her. Außerdem hatte sie damals mit Barbaras Vater kaum ein Wort gewechselt. „Weißt du schon, dass ich deine kleine Freundin habe?“
„Ja, das weiß ich.“ Nur mit großer Mühe konnte sie das Zittern in ihrer Stimme unterdrücken.
„Sie stirbt, wenn du nicht machst, was ich will. Verstehst du das?“
Als Sam nicht antwortete, schrie der Mann ins Telefon: „Verstehst du das?“
„Ja“, erwiderte Sam knapp.
„Dann wiederhole es!“, forderte er sie auf.
„Ich verstehe das.“
„Was verstehst du? Sag, dass sie sterben wird, wenn du nicht tust, was ich sage!“
Sam schluckte schwer. „Sie wird sterben, wenn ich nicht tue, was du sagst.“
„Wer wird sterben, wenn du nicht tust, was ich sage?“ Er schien Gefallen an dem Spiel zu haben.
„Das Mädchen.“
„Nein, nicht das Mädchen. Deine kleine Freundin ist es. Das ist etwas anderes. Sag, dass deine kleine Freundin stirbt, wenn du nicht artig bist.“
„Meine kleine Freundin stirbt, wenn ich nicht artig bin“, gehorchte Sam, und fragte dann, ohne ihm
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