Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
kopierte sie ihren eigenen Text und schloss das Fenster. Dann öffnete sie den Chatraum „Mistress“, in dem sich dominante Frauen mit devoten Personen trafen. Nach dem Hauptraum war dies das meistbesuchte virtuelle Zimmer. Hier platzierte sie ihren zuvor kopierten Text, und schloss auch dieses Fenster gleich wieder. Im Darkroom befanden sich nur fünf Personen. Da sie aber vier davon kannte, wiederholte sie dort das Spiel. Die letzten Räume „single“ und „real“ waren leer und damit uninteressant. Um nicht von zahllosen Anfragen überhäuft zu werden, loggte sie sich aus der Sklavenzentrale aus.
Dann rechnete sie: Wenn es dreißig Leute aus dem Rhein-Main-Gebiet gab, die jeweils zehn Leute anriefen, und die Hälfte von den erreichten Personen wiederum zehn anriefen, und davon erneut die Hälfte zehn Bekannte kontaktierte, dann konnte sie einige tausend Menschen erreichen. War das realistisch? Konnte sie auf die Hilfsbereitschaft der Menschen zählen? Was hatten sie schon davon? Sam schüttelte gedankenverloren den Kopf. Kurzzeitig hatte sie sich eingeredet, etwas unternehmen zu können, aber wahrscheinlich war es ein absurder Gedanke gewesen. Was konnte sie sonst noch tun?
Sam dachte an Nika, überlegte, was Bruno mit ihr anstellen würde … sah vor ihrem geistigen Auge, wie das Mädchen nackt und wehrlos vor ihm lag … verdrängte den Gedanken. Wenn sie das jetzt zuließ, würde sie handlungsunfähig sein.
Das Handy signalisierte einen eingehenden Anruf. Hastig nahm Sam das Telefon und spurtete zu der Leiter. In Windeseile war sie wieder auf dem Dachboden und nahm das Gespräch an.
„Hallo Sam, hier ist Mia.“
„Hallo Mia“, grüßte Sam erstaunt. Sie kannte die hübsche Domme nur aus der Sklavenzentrale und von Bildern, hatte aber bisher weder realen noch telefonischen Kontakt zu ihr gehabt. Im Chat verstanden sie sich immer gut, aber Mia wohnte zu weit weg, um sich mal eben auf einen Kaffee mit ihr zu treffen.
„Sag mal, kannst du mir ein bisschen mehr über dein Problem mit deiner Freundin erzählen?“, fragte Mia.
Sam zögerte. „Eigentlich nicht, aber ich versichere dir, dass es wirklich um etwas sehr Ernstes geht.“
„Verstehe mich nicht falsch, Sam, aber für manche ist es etwas sehr Ernstes, wenn ihnen ihr Lebenspartner wegläuft.“
„Ich verstehe, was du meinst. Bei mir geht es nicht um so etwas. Eine Freundin von mir ist wirklich in Gefahr.“
„Warum wendest du dich dann nicht an die Polizei?“, wollte Mia wissen.
Langsam verlor Sam ihre Geduld. Wenn sie jedem Einzelnen aus dem Chat erklären wollte, was los war, würde sie Tage beschäftigt sein. Und öffentlich im Chat bekannt geben konnte sie es auch nicht, weil sonst garantiert jemand die Polizei rufen würde. „Mia, sei mir nicht böse, aber ich möchte nicht darüber sprechen. Außerdem will ich das Telefon freihalten, falls sich jemand meldet, der mir helfen kann.“
„Oh“, sagte Mia, „du hast den Eindruck, dass ich einfach neugierig bin. Aber darum geht es mir nicht. Vielleicht könnte ich dich ein bisschen unterstützen, aber das mache ich nur, wenn ich wirklich weiß, dass es um etwas geht, das den Aufwand rechtfertigt.“
„Mia, wie lange kennen wir uns schon?“
„Kennen? Wir kennen uns gar nicht, meine liebe Samantha. Ich finde dich in der SZ nett und sehr erfrischend, aber wenn du ehrlich bist, dann kennt man niemand, solange man ihn nicht real kennt.“
„Natürlich“, musste Sam zugeben. Sie hätte an Mias Stelle kaum anders reagiert. Da konnte ja jeder kommen und behaupten, dass irgendwas passiert sei. „Es geht um etwas wirklich furchtbares, deshalb möchte ich nicht darüber sprechen, wenn es nicht sein muss. Und wie möchtest du mir schon helfen? Du wohnst doch im Süden Deutschlands, oder?“
„Ich kenne jemanden aus deiner Gegend, der ein Taxiunternehmen hat. Er beschäftigt nicht nur selbst viele Fahrer, sondern kennt auch die meisten anderen Taxiunternehmer im Raum Frankfurt und Wiesbaden. Der Mann schuldet mir einen großen Gefallen, und wenn ich ihn bitten würde, dass er für offene Augen bei den Taxifahrern sorgt, dann wird er es mir kaum ausschlagen.“
Das war natürlich eine phantastische Idee! Taxis fuhren Tag und Nacht durch die Gegend. Sie waren bestimmt so zahlreich wie umherfahrende Streifenwagen der Polizei, vielleicht sogar zahlreicher.
„Okay, versprich mir bitte, dass du nicht die Polizei anrufst.“
„Du machst es aber spannend. Gut, ich verspreche es dir.
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