Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
ein, dass sie nicht bemerken würde, wenn das Handy klingelte. Selbst das Vibrieren würde sie nicht durch das dicke Leder spüren. „Sei erreichbar“, hatte er gesagt. Ihr wurde heiß unter dem Helm. Wenn er just in diesem Moment anrufen würde, hätte Sam mit ihrer Aktion Nika ernsthaften Schaden zugefügt. Auf dem mehrspurigen Teil der B8 hielt sie an, riss sich hektisch den dicken Handschuh von der rechten Hand, und tastete in der rechten Reißverschlusstasche nach dem Handy, dessen Nummer Bruno hatte. Es zeigte keinen verpassten Anruf. Zum Glück!
Die Detektivin öffnete die Jacke und stecke das Gerät zwischen Nierengurt und Bauch. Dort würde sie den Vibrationsalarm auch beim Fahren spüren. Dann zog sie sich wieder an und fuhr das letzte Stück zu dem großen Einkaufszentrum. Erst überlegte sie, ob sie ihre Maschine direkt am Kino hinstellen sollte, notfalls mit eingeschalteter Warnblinkanlage, einfach am Fahrbahnrand. Das aber, so entschied sie, würde zuviel Aufsehen erregen, daher stellte sie das Motorrad ein Stück weiter auf dem Parkplatz ab.
Den Helm in der Hand beeilte sie sich, zum Kino zu kommen, vor dem, wie fast immer am Abend, eine lose Ansammlung von Menschen war. Schon als sie auf der anderen Straßenseite auf eine Lücke im Verkehr wartete, hielt sie Ausschau nach einer Person mit einer Baseballmütze. Zunächst fand sie niemanden, und einen Augenblick lang dachte sie, dass man sich einen Spaß mit ihr erlaubt hatte. Doch als sie endlich die Straße überqueren konnte, sah sie einen Jugendlichen, der gerade aus der gläsernen Tür des Kinos herauskam. Er trug eine solche Mütze. Nachdem er sich etwas Abseits gestellt hatte, schien er zu warten. Im Laufschritt näherte Sam sich dem jungen Mann, der sie jetzt auch bemerkt. Als sie ihn erreichte, blickte er sich ängstlich um, bevor er fragte: „Sind Sie Sam?“
„Das bin ich. Wo steht er?“
Einen Moment lang sah der etwa Sechzehnjährige sie ernst an, dann drehte er sich um. Im Hintergrund sah Sam eine Clique junger Leute, die interessiert ihre Blicke auf sie richteten. „Das ist sie!“, rief der Junge. Plötzlich brachen die anderen in schallendes Gelächter aus. Der Rädelsführer drehte sich wieder zu Sam. „Wie blöd muss man eigentlich sein, um seine Telefonnummer über einen Chat öffentlich weiterzugeben?“ Jetzt prustete er vor Lachen.
Sam wäre am liebsten im Erdboden versunken. Selten hatte sie sich so blamiert gefühlt. Sie war von ein paar Jugendlichen vorgeführt worden. Das Schlimmste war: Der Junge hatte verdammt Recht!
Voller Wut drehte sich die Detektivin um und rannte zu ihrem Motorrad. Gerade, als sie es erreichte, meldete sich ihr Handy. Es war die Nummer, die Bruno nicht kannte.
„Ja“, meldete sie sich schnell.
Die Stimme eines älteren Mannes fragte: „Willst du wissen, wo der Jetta ist?“
Vielleicht hatte sie doch Glück! „Ja“, antwortete sie kurz.
„Sie haben Glück, dass ich von Ihrer Suche erfahren habe, denn ich bin gerade im Urlaub. Der Wagen ist hier in Madrid. Ich sitze in einem Café und er steht direkt auf der Straßenseite gegenüber.“
Madrid? Wie lange war Nika verschwunden? Ohne zu fragen, ob der Mann noch bei Sinnen war, drückte Sam das Gespräch weg. Die Idee, die ihr so toll erschienen war, erwies sich als unbrauchbar und unsinnig. Sie hatte sich damit mehr Ärger eingehandelt als sie Nutzen davon haben würde.
Sam versteckte die Zornesröte unterm Helm, bestieg ihre Kawasaki und war einem regelrechten Wutanfall nahe, als ihr Fahrzeug beinahe nicht angesprungen wäre. Offenbar war die Batterie endgültig kaputt und lud kaum noch beim Fahren. Im allerletzten Moment, als Sam schon dachte, dass der Starter gar nicht mehr drehen wollte, sprang der Motor doch noch an und sie fuhr los. Auf dem Weg nach Hause war sie fast noch schneller unterwegs als zum Main-Taunus-Zentrum.
Als sie wieder in ihrem Arbeitszimmer saß, brauchte sie eine Weile, um wieder herunter zu kommen. Dann fraß sich die Sorge um Nika weiter in ihre Seele. Es war so entsetzlich, tatenlos herumsitzen zu müssen. Doch was konnte sie schon tun? Sie war auf die Hilfe Anderer angewiesen, und wie es aussah würde diese Hilfe nicht kommen. Gab es denn nichts, was sie selbst tun konnte? Aber wo sollte sie ansetzen? Sie hatte nicht einmal … doch! Hatte sie!
Sorghardt hatte ihr im Auto den Straßennamen von Brunos Wohnung genannt. Selbst wenn er nicht dort zu finden war, so konnte es dort Hinweise geben. Der Mann
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