Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
Einkaufen, da sie dafür am Nachmittag nun wohl keine Zeit mehr haben würde.
10 | Verblichen
Den vollen Einkaufswagen langsam vor sich herschiebend, wartete Sam geduldig in der Schlange an der Kasse. Fünf Leute waren vor ihr.
Wie immer nutzte sie die Wartezeit, um einen Blick auf die Schlagzeilen der Tageszeitungen zu werfen, die neben ihr ausgelegt waren. Der Mann vor ihr machte es etwas professioneller und hatte eine Frankfurter Rundschau offen über seinem Einkauf ausgebreitet. Sam lugte über seine Schulter, um etwas vom Innenteil zu erhaschen.
Als hätte sie das blanke Ende eines Stromkabels angefasst, fuhr sie zusammen. Der Mann blätterte um. Instinktiv fasste Sam in einer aufhaltenden Geste den Mann an der Schulter.
„Könnten Sie bitte noch mal zurück blättern?“
Der Mann in den Fünfzigern sah sie nicht an, gab auch keine Antwort, blätterte aber tatsächlich zurück.
Da war es wieder, das Bild. Obwohl leicht entstellt, konnte Sam deutlich das Gesicht von Deborah erkennen, aus dem zwei leblose Augen scheinbar ins Nichts sahen. Der Artikel war mit den Worten „Kennen Sie diese Frau?“ übertitelt.
Die Menschen vor ihr setzten sich in Bewegung. Der Zeitungsbesitzer verharrte noch an seinem Platz und fragte: „Fertig?“ Wieder drehte er sich dabei nicht um.
„Ja, vielen Dank.“ Erst nach Sams Antwort schob er seinen Wagen weiter. Ohne zu zögern schnappte sie sich eine Ausgabe der Zeitung, breitete das Papier über dem Wagen aus und suchte hastig den Artikel. Ihre Augen flogen über die Worte, die berichteten, dass diese Frau unangenehme Bekanntschaft mit einem ICE gemacht hatte. Dies alleine war noch nichts Außergewöhnliches, wählten doch viele Selbstmörder diesen sicheren Weg um zu sterben. Das wirklich Besondere war, dass die Frau bereits einige Stunden tot gewesen war, bevor der Zug sie erfasst hatte. Genaueres über die Todesursache war nicht zu lesen, jedoch ging eindeutig hervor, dass man von Mord ausging.
Deborah. Tot. Ermordet.
Jan. Sie musste Jan anrufen. Nein, zu ihm fahren.
„Geht's irgendwann auch weiter?“ Sam wurde in patzigem Tonfall von hinten angesprochen. Sie war so vertieft in den Artikel gewesen, dass sie nicht bemerkt hatte, wie vor ihr die Kasse frei wurde. Ohne eine Antwort schob sie ihren Wagen weiter. Während des gesamten Kassiervorgangs kreisten ihre Gedanken um Deborah.
Was war passiert? War sie nach dem Sprachkurs auf dem Heimweg von jemandem überfallen und getötet worden? Hatte sie einen anderen Mann kennen gelernt, der sie dann umgebracht hatte? Immerhin hatte sie sich offenbar Bekanntschaften über ein Partnerportal gesucht. Darüber konnte man an die dubiosesten Menschen geraten.
Sam verstaute ihren Einkauf im Auto und fuhr direkt zu Jan.
Die Tür wurde von einem Fremden geöffnet. Der Mann in einem beigefarbenen Anzug überragte Sam um eine Kopflänge. Er hatte die Ausstrahlung eines Managers, das breite Kreuz ließ Sam allerdings eher an einen Bodybuilder denken.
„Guten Tag“, sagte er freundlich, „mein Name ist Sorghardt. Mit wem habe ich die Ehre?“
„Ich bin Sam. Ist Jan da?“ Es passte nicht zu Jan, dass er die Tür nicht selbst öffnete. Außerdem war Sam der Meinung, alle Freunde von ihm zu kennen, wenigstens die guten.
„Doch, er ist da. Bitte kommen Sie doch erstmal herein, dann erkläre ich Ihnen meine Anwesenheit.“
Sam trat ein. Obwohl von dem Mann zunächst nichts Unangenehmes ausging, war sie auf der Hut. Irgendetwas sagte ihr der Name, aber es war in den Tiefen ihres Gedächtnisses vergraben.
Nachdem der Mann die Tür geschlossen hatte, holte er einen Ausweis aus der Tasche und zeigte ihn Sam. „Ich bin Kriminaloberkommissar. Würden Sie mir bitte Ihren vollen Namen verraten?“
„Ich heiße Samantha Veselkova und bin eine Freundin von Herrn Patersen.“
„Dann kennen Sie auch Deborah da Silva?“
Plötzlich wurde Sam klar, was hier los war. Auch was den Namen von Sorghardt anging, dämmerte es ihr. Durch ihre Detektei hatte sie einige Leute bei der Kripo kennen gelernt. Einer von ihnen hatte Sorghardt das ein oder andere Mal erwähnt.
„Ja, ich lernte sie an dem Tag kennen, an dem sie nach Deutschland kam. Vorhin habe ich das Bild in der Zeitung gesehen und wollte mit Jan, ich meine mit Herrn Patersen, reden, bevor ich mich bei der Polizei melde.“
Ein wachsamer Blick des Polizisten. „Wollten Sie ihn warnen?“, fragte er schnell.
„Quatsch. Wovor hätte ich ihn denn warnen sollen? Vorbereiten
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