Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
nach einer Weile die sehr reservierte Stimme, die gar nicht mehr so fröhlich klang wie tags zuvor.
„Ich weiß, es ist unverzeihlich, dass ich nicht wenigstens angerufen habe, aber die Freundin meines besten Freundes ist offenbar ermordet worden, und das habe ich erfahren, kurz nachdem wir miteinander telefoniert hatten. Wie du dir sicher vorstellen kannst, bin ich sofort zu meinem Freund gefahren und die ganze Nacht bei ihm geblieben. Mir ist klar, dass das keine Entschuldigung dafür ist, nicht abgesagt zu haben – aber es ist eine Erklärung.“
Stille. Dann eine unsichere Frage: „Das haben Sie sich auch nicht als Ausrede einfallen lassen, oder?“
„Nein, Nika, das habe ich nicht. Wenn du mich kennen gelernt hast, wirst du das auch wissen.“
„Wenn ich Sie kennen lerne.“ Nika legte die Betonung auf das Wenn. „Sehr glaubwürdig ist Ihre Geschichte nicht.“
„Okay, ich verstehe, dass du mir misstraust. Ich mache dir einen Vorschlag. Suche dir eine andere, der du vertraust. Solltest du keine finden, rufe mich an und ich helfe dir. Du darfst mir so lange auf die Nerven gehen, bis du alles weißt, was du wissen musst.“
Diesmal gab es kein Zögern. „Auch wenn ein Termin dafür nicht ausreicht?“ Da war sie wieder, die forsche, fordernde Stimme.
„Dann bekommst du noch einen. Du hast etwas gut bei mir.“
„Sie klingen verdammt ehrlich.“ Zweifelnde Stimme.
„Warum hätte ich dich anrufen sollen, wenn ich dir nicht helfen wollte? Ich hätte mich nie wieder melden brauchen.“
„Vielleicht haben Sie Spaß daran?“
Sam seufzte. Sie hasste es, wenn jemand vermutete, dass sie ungerecht oder hinterhältig war. Vermutlich hing es mit ihren alten Ängsten, die egoistischen Züge ihres Vaters geerbt haben zu können, zusammen, wenn sie in solchen Situationen übertrieben defensiv reagierte und alles tat, um die Meinung des anderen zu korrigieren. Zwar wusste sie jetzt, dass ihr Vater vielleicht ganz anders war, als sie immer gedacht hatte, aber die Ängste waren bereits zu tief in ihr verwurzelt, als dass sie ihren Umgang damit so schnell ändern konnte.
„Was machst du jetzt? Hast du Zeit?“
„Ich hätte Zeit, wenn ich wollte.“ Noch immer ein abweisender Tonfall.
„Gut. Dann machen wir es heute umgekehrt. Ich komme zu dir. Jetzt. Wenn du willst, kannst du mich deinerseits vor der Tür stehen lassen, dann sind wir quitt und das war's. Ansonsten fahren wir irgendwo etwas essen. Du bist mein Gast. Heute werde ich allerdings nicht ewig Zeit haben, weil ich meinen Freund in seiner Trauer nicht zu lange alleine lassen möchte.“
Darauf ließ Nika sich ein.
Nachdem Sam sich durch einen Stau auf der A66 gequält hatte, erreichte sie das Haus im Frankfurter Stadtteil Hausen mit zwanzigminütiger Verspätung. Das Navigationssystem hatte sie zielsicher in die richtige Straße geleitet: In den Waldgärten.
Die Tür wurde von einem Mädchen geöffnet, das Monikas jüngere Schwester sein musste.
„Ist Nika da?“, fragte Sam.
„Steht vor dir.“ Ebenso wie die Stimme am Telefon war auch das zur Schau gestellte Grinsen frech, aber irgendwie liebenswert.
„Du bist Nika?“, brachte Sam perplex hervor. „Darf ich fragen, wie alt du bist?“ Vom Äußeren her hätte Sam das Mädchen auf kaum älter als sechzehn Jahre geschätzt.
„Ich bin zweiundzwanzig. Früher habe ich mich immer über mein Aussehen geärgert, aber wenn ich einmal vierzig bin und aussehe wie zwanzig, dann bin ich es, die lacht."
Dieser Logik konnte Sam folgen. Dennoch fiel es ihr schwer, das vorgegebene Alter zu glauben. Das süße Gesicht, das von den blonden Haaren im Prinz-Eisenherz-Schnitt umrahmt wurde, machte einen eher kindlichen Eindruck. Skeptisch musterte die Detektivin ihr Gegenüber von oben bis unten.
„Nun gut“, sagte sie schließlich.
Nika lachte. „Schön, dass du gekommen bist.“
„Schön, dass du wieder Du zu mir sagst“, entgegnete Sam. „Wenn du fertig bist, lass' uns gleich fahren.“
„Bin ich“, erklärte Nika und zog die Tür hinter sich zu. „Übrigens: Tut mir sehr leid – ich meine das mit deinem Freund und seiner Freundin. Und dass ich es dir nicht geglaubt hatte.“
„Schon okay.“ Sam wollte über das Thema nicht mit Nika reden.
Gemeinsam gingen sie zu Sams Peugeot, den Nika cool fand, und fuhren dann zu Da Cimino nach Niederrad.
Sams Gabe, Menschen möglichst beiläufig Informationen zu entlocken, war es zu verdanken, dass sie sich an diesem Tag mehr über Nika
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