Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
klarer Stimme hinzu: „Nur jemand, der so selbstlos ist und ohne zu murren sofort verschwindet, wenn ich alleine sein möchte, kann mir heute eine Hilfe sein. Und jetzt komm schon rein, ich erfriere gerade.“
Nika tat etwas, von dem Sam überlegte, ob es das Wegwischen von Tränen war, allerdings war sie sich absolut nicht sicher. Dann drehte sich die Studentin zu ihr, und kam sanft lächelnd zurück.
„Du sollst dich heute für nichts entschuldigen. Ich nehme dich so, wie du bist, oder ich gehe.“
‚Schon wieder hat sie mich überrumpelt‘, dachte Sam, und wusste nicht, ob sie darüber unglücklich sein sollte. Für den Bruchteil einer Sekunde schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass Nika eine gute Domme abgeben würde.
Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, nahm sie Nika die Jacke ab. Als sie zum Wohnzimmer gingen, bemerkte Sam, wie sich das Mädchen neugierig, aber vorsichtig umsah.
„Setz' dich. Was möchtest du trinken?“
„Ich trinke das, was du auch trinkst“, gab Nika sich bescheiden.
„Was möchtest du trinken?“, fragte Sam erneut, so, als ob sie keine Antwort bekommen hätte.
„Ich würde gerne ein Wasser trinken.“
Irgendwie war Sam froh, dass Nika keinen Alkohol wollte. Als sie mit zwei Gläsern und einer Flasche Selters aus der Küche kam, fragte Nika: „Läufst du zuhause immer so sexy herum?“
Erstaunt blickte Sam die junge Frau an. „Sexy? Wie kommst du denn darauf? Ich habe nach dem Duschen das erstbeste gegriffen, was bequem aussah.“
„Wow. Dann möchte ich nicht wissen, wie du aussiehst, wenn du dich für einen Kunden vorbereitet hast.“
„Danke“, gab Sam zurück und setzte sich neben Nika. „Und auch danke dafür, dass du so spontan gekommen bist. Das ist wirklich sehr lieb von dir.“
„Ach was, das gehört sich einfach so.“
Es wurde still. Sam war sich nicht sicher, ob sie reden wollte, und Nika drängte sie nicht. Die Detektivin hatte keine Ahnung, wie lange sie so da saßen, aber es mussten mindestens zehn Minuten gewesen sein. Sie empfand es als sehr angenehm, dass Nika einfach nur bei ihr war und nicht mit irgendwelchen Sprüchen oder leeren Phrasen nervte. Irgendwann sagte Sam: „Ich kann noch nicht weinen.“ Sie sagte das nicht nur, um einfach etwas zu sagen, sondern weil sie wollte, dass Nika es wusste. Warum sie das wollte, konnte sie nicht sagen, und es war ihr auch egal.
„Würdest du denn gerne weinen?“, fragte Nika mit leiser und ruhiger Stimme.
„Ja“, antwortete Sam, „das würde ich gerne.“
„Erzähl mir, wie ihr euch kennen gelernt habt“, forderte Nika sie auf.
„Jan war mein Prof. Ich habe einmal ein Psychologiestudium begonnen. Nach einer Vorlesung hatte ich noch eine Frage zu einem Thema. Wir waren völlig unterschiedlicher Meinung. Er meinte, wir sollten das nicht auf die Schnelle diskutieren, denn er fände meine Meinung hochinteressant. Wie es der Zufall wollte, hatten wir beide eine Freistunde, und er lud mich ein, mit ihm etwas essen zu gehen. Unsere Diskussion dauerte so lange, dass wir gemeinsam die nächsten zwei Stunden verpassten. Als wir bemerkten, wie spät es war, brachen wir in schallendes Gelächter aus. Ich hatte gedacht, er würde außer sich sein und mit sich selbst hadern, weil er so verantwortungslos der Uni und seinen Studenten gegenüber gewesen war, aber das Gegenteil war der Fall. Er bedankte sich für das Gespräch, das er, wie er sagte, als große Bereicherung empfunden hatte. Danach gingen wir öfter gemeinsam einen Kaffee trinken, oder auch mal zu Mittag essen. Es waren immer sehr angeregte Gespräche, die wir dabei führten.“
Die Worte sprudelten nur so aus Sam heraus, und irgendwie war es für sie befreiend. „Mit der Zeit lernten wir uns sehr gut kennen, ich war für ihn da, wenn er einen seiner Durchhänger hatte, und er für mich. Ich glaube, es gibt keinen Menschen, der mir je so offen seine Meinung sagte wie er. Wahrscheinlich gibt es auch keinen Menschen, der je so viel von mir wusste wie Jan. Vermutlich wird auch nie wieder irgendwer so viel von mir wissen. Aber umgekehrt war es genauso. Jan hatte schon eine Menge mitmachen müssen, und auch für ihn hatte es nie jemanden gegeben, mit dem er darüber gesprochen hatte, bis er mich kennen lernte. Der arme Kerl ist nacheinander von drei verschiedenen Frauen ausgenommen worden. Für die letzte hatte er so hohe Schulden gemacht, dass er noch immer daran zahlte. Deshalb hatte er nur eine kleine, billige Wohnung in einer Gegend,
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