Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
meine Güte, ist jemand bei dir?“, fragte Nika.
„Nein, ich bin alleine und werde gleich ins Bett gehen.“
„Meinst du, dass du schlafen kannst?“
„Vermutlich nicht“, gab Sam zu,
„Gut. Hast du noch eine Couch frei? Dann bin ich in einer Dreiviertelstunde bei dir.“
„Ach, das ist nicht nötig, ich komme schon klar“, wehrte Sam ab.
„Keine Widerrede“, beharrte Nika. „Soll ich noch etwas mitbringen, etwas zu trinken oder zu essen?“
„Nein, ich habe genug da, aber …“
Nika ließ sie nicht aussprechen. „Dann bis gleich.“
Noch ehe Sam etwas erwidern konnte, war die Verbindung unterbrochen. Sie war überrumpelt worden von dieser kleinen Göre. Wollte sie überhaupt Gesellschaft haben? Wenn die Trauer sie doch früher erreichen sollte, dann wäre sie lieber alleine, denn sonst würde sie sich zusammennehmen müssen. Es war etwas ganz anderes gewesen, als sie Gregor gegenüber am Telefon ihre Angst eingestanden hatte, während sie in Jans Wohnung auf die Polizisten gewartet hatte. Sam wusste nur zu gut, dass auch die Beamten vor Furcht nicht gefeit waren. Gregor kannte solche Situationen und hätte ohnehin gewusst, dass sie äußerst bange Minuten durchstand. Die meisten Menschen wären wahrscheinlich in echte Panik geraten, was Sam zum Glück nicht passiert war.
Wenn ihr nach Weinen zumute war, dann wollte sie ihren Tränen freien Lauf gewähren. Diese Schwäche würde sie sich zugestehen, denn Jan war ein wirklicher Freund gewesen. Das konnte sie jedoch nur, wenn sie alleine war.
Sie nahm das Telefon und wählte Nikas Nummer. Die Mutter des Mädchens meldete sich und erklärte, dass Nika ganz eilig das Haus verlassen hatte. Sam bedankte sich und probierte es auf Nikas Handy. Offenbar hatte die Studentin es ausgeschaltet, denn es antwortete die Mailbox. Absagen war also nicht mehr. Toll, jetzt hatte sie das Mädchen auf dem Hals. Es war ihr klar, dass Nika es nur gut meinte, aber gerade deswegen würde Sam freundlich sein müssen, und genau darauf hatte sie im Moment überhaupt keine Lust.
Gut, jetzt konnte sie es nun mal nicht ändern. Nachdem sie geduscht hatte, zog sie sich ein weißes Top und eine frische, weiße Trainingshose an.
Im Wohnzimmer schaltete sie ihre Stereoanlage an und legte eine mp3-CD in den Spieler. Es war ein Mix, den Jan ihr einmal gebrannt hatte. Alles Mögliche war darauf vertreten, von Oldies aus den Siebzigern bis zu aktuellen Hits. Am Anfang waren Aufnahmen von Shakira, die sie in ihrer Muttersprache sang. Es begann mit einem sehr wehmütigen Lied, dessen Text Sam nicht verstand, wohl aber die Melancholie empfand, die offenbar zum Ausdruck gebracht werden sollte.
Dann klingelte es, und Sam öffnete die Tür. Das Mädchen stand in eine Jeans und eine dicke, dunkelgrüne Jacke gehüllt vor der Tür. Ihre Augen, die Sam bisher nur fröhlich leuchtend kannte, hatten einen traurigen Glanz. Sam hatte ihr „Hallo“ kaum ausgesprochen, da nahm Nika sie spontan in den Arm und drückte sie fest. „Es tut mir leid, Samantha“, flüsterte das Mädchen. Die Worte hörten sich so ehrlich und mitfühlend an, dass Sam beinahe Tränen in die Augen traten. Nachdem sie sich die Umarmung kurz gefallen lassen hatte, drückte sie Nika sanft von sich.
„Danke, dass du gekommen bist.“
Unvermittelt nahm Nika Sams Gesicht zwischen beide Hände, so wie Sam es eigentlich nur von einem Mann erwartet hätte.
„Pass auf“, sagte Nika, während sie Sam mit großen Augen ansah, „ich will heute weder etwas von ‚Danke‘ hören, noch will ich, dass du dich wegen meiner Anwesenheit bemühst, anders zu sein als du dich fühlst. Wenn du nicht reden willst, dann setze ich mich still in eine Ecke und sage keinen Ton. Ich bin nur da, damit du nicht ganz alleine bist, sonst nichts. Tue einfach so, als sei ich nicht da. Meine Anwesenheit soll dir gut tun, nicht dich unter Stress setzen. Versprich mir, dass du mich rausschmeißt, wenn es anders ist.“
„Dann gehe jetzt sofort wieder“, platzte Sam heraus, nur, um es sofort zu bereuen.
Nika verharrte einen kurzen Moment, dann flüsterte sie: „Okay.“ Schon drehte sie sich um und lief zu ihrem Auto. In dieser kurzen Zeit konnte Sam nicht erkennen, ob das Mädchen verletzt war, aber sie spürte es.
„Nika!“, rief Sam laut. Die junge Studentin blieb stehen, drehte sich aber nicht um.
„Bitte bleib bei mir heute Nacht.“ Sam war sich bewusst, dass diese Worte nicht reichen würden, deshalb fügte sie mit lauter und
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