Spiel der Dämmerung - Feehan, C: Spiel der Dämmerung - Mind Game (Ghost Walkers # 2)
dabei half, herauszufinden, wie es zu den Todesfällen gekommen war. Doch noch ehe er ihr irgendetwas erklären konnte, fiel er ebenfalls einem Mordanschlag zum Opfer. Lily durchschaute die Sache mit den Experimenten und kümmerte sich um den Rest unserer Gruppe. Seither sucht sie auch nach den anderen Mädchen, die Whitney aus den Waisenhäusern geholt hat, und ist schließlich auf dieses Sanatorium und auf dich gestoßen.«
Dahlia rieb sich die Schläfen. »Lily tut mir leid. Es muss ein fürchterlicher Schlag für sie gewesen sein, die Wahrheit über Whitney herauszufinden. Ich fand sie immer
sehr nett. Und ich habe mich immer besser gefühlt, wenn ich in ihrer Nähe war.«
»Sie ist ein Anker. So wie ich. Wir verstehen es, Gefühle und in einem gewissen Maß auch Energie von anderen abzuziehen, damit sie besser funktionieren können. Ist Jesse auch ein Anker?« Er ließ diese Frage absichtlich in dem Moment einfließen, als er das Gesicht von ihr abwandte und sie mit sich durchs Wasser zog.
»Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich. Es fiel mir immer relativ leicht, mich in seiner Nähe aufzuhalten. Aber ich habe mich nie gefragt, warum. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart einfach ruhiger und hatte mich besser im Griff.«
Nicolas spürte ein seltsames Brennen in der Magengegend. Seine Brust wurde eng. »Standet du und Jesse euch nahe?« Sein Tonfall gab nicht die kleinste Regung preis.
Sie schaute zu ihm hoch, war plötzlich nervös und wusste nicht, warum. »Ich schätze schon. Jedenfalls stand er mir näher als andere. Obwohl ich natürlich nicht viele Menschen kenne. Jesse hat für mich zur Familie gehört, genau wie Bernadette und Milly.«
Sie klang sehr aufrichtig. Unschuldig. Nicolas ließ unmerklich den Atem entweichen und konnte sich in diesem Moment nicht wirklich leiden. Er entdeckte Eigenschaften an sich, die er zuvor nie als Teil seines Charakters angesehen hatte. Angenehm war das nicht. »Es tut mir leid, was den beiden Frauen zugestoßen ist, Dahlia. Sie waren schon tot, als ich dazukam. Ich habe es noch geschafft, den Mann zu töten, der auf Jesse geschossen hat, aber dann wurde die Situation ein bisschen brenzlig.«
»Ich weiß, dass du sie gerettet hättest, wenn es möglich
gewesen wäre.« Davon war sie überzeugt. »Erzähl mir mehr über Whitney. Was hat er mit uns gemacht?« Allein den verhassten Namen auszusprechen weckte Erinnerungen, die sie stets unterdrückt hatte.
»Lily kann dir alle technischen Details geben, wenn du willst. Ich habe ihr zugehört, aber nicht einmal ein Drittel von dem verstanden, was sie gesagt hat. Aber grundsätzlich geht es darum, dass er alle natürlichen Filter oder Barrieren aus unseren Gehirnen entfernt hat. Deshalb sind wir sensorisch ständig überlastet. Natürlich ging er noch ein Stück weiter, hat uns elektrischen Impulsen ausgesetzt und uns Designerdrogen verabreicht, aber du verstehst jetzt, was ich meine. Wir fühlen und hören Dinge, die die meisten Menschen nicht wahrnehmen, doch die Folgen für uns sind gravierend. Aber wenigstens habe ich mich freiwillig zur Verfügung gestellt. Du dagegen hattest keine Wahl. Whitney hat sich eine Menge zuschulden kommen lassen.«
»Ja, in der Tat.« Dahlia schloss die Augen gegen die Flut von düsteren Erinnerungen. Das klägliche Wimmern von Kindern. Schmerzen, die Tag und Nacht in ihrem Kopf tobten. Die schattenhafte Gestalt, die immer beobachtete und niemals lächelte, niemals zufrieden war. Nicht menschlich war. Ja, so sah sie ihn. Als einen Peiniger, bar jeglicher menschlicher Regungen. Das Schreckgespenst ihrer Alpträume, das sie immer weit weg schob und an das sie möglichst nie zu denken versuchte.
»Dahlia?« Nicolas zog sie an seine Seite. Es war ein Gradmesser ihrer Erschöpfung, dass sie das kaum bemerkte. Sie hegte eine solche Aversion gegen jede Art von Körperkontakt, und doch blieb sie dicht bei ihm. Er spürte, wie sie unter den nassen Kleidern zitterte. »Ich möchte dich nicht
aufregen. Du hast einen harten Tag hinter dir. Wir können ein andermal darüber reden.«
Dahlia legte den Kopf in den Nacken, hielt das Gesicht in den Regen und wäre beinahe gestolpert. Der Himmel über ihnen war schwarz und wolkig, und es kam ihr so vor, als weinte er mit ihrem trauernden Herzen. »Ich muss mich vorsehen.« Sie versuchte genauso unbeteiligt zu klingen wie er. »Wenn ich zu viel von etwas fühle, können schreckliche Dinge passieren.« Sie sah zu ihm hoch. In der Dunkelheit wirkte Nicolas’
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