Spiel der Dämmerung - Feehan, C: Spiel der Dämmerung - Mind Game (Ghost Walkers # 2)
den Tee kippen, oder sich über etwas ähnlich Nichtiges aufregen würde. Dann kannst du darauf wetten, dass er in einer Rauchwolke aufgehen würde.«
Als er zu ihr herabblickte, hatte sie ihre Augen bereits wieder aufs Wasser gerichtet. »Was passiert, wenn du Schmerzen hast?«
»Wegen Überbelastung, meinst du?«
»Nein, ganz gewöhnliche Schmerzen. Wenn du dir die Zehe anstößt. Oder Zahnweh hast. Oder einen Magenschwinger einsteckst, weil ich nicht schnell genug den Finger am Abzug habe.« Wut schärfte seine Stimme. Sie kam aus dem Nichts, diese langsam schwelende Glut, die in seinem Magen brannte und eine dunkle Hitze entwickelte, die ihn aufzufressen drohte. Er strich mit der flachen Hand über Dahlias Bauch und ließ sie dort liegen. Die Berührung war als Besänftigung gedacht. Um ihr die Schmerzen zu nehmen. Doch sie bekam eine völlig andere Qualität. Keine sexuelle, aber eine intime, vertrauliche. Und ihre Haut brannte unter dem dicken Stoff ihres schwarzen Sweatshirts. Vielleicht war es auch seine Haut. Er hätte sie eigentlich nicht spüren dürfen, doch sie war da, diese Hitze.
Sie schloss die Augen vor den Gefühlen, die über sie hinwegschwappten. Oder es war diese Energie, sie konnte es nicht mehr unterscheiden. Sie wollte von ihm weg. Weg von allen Menschen. Ihr Herz klopfte wie wild, ihre Haut juckte und fühlte sich zu eng an für ihren Körper.
»Versuch nicht, vor mir wegzulaufen, Dahlia«, warnte Nicolas, der in ihren Gedanken las wie in einem Buch. »Du bist so damit beschäftigt, gefühlsmäßig auf Abstand zu
mir zu gehen, dass du dabei völlig vergisst, warum wir hier sind.« Er zog sie von der Fensterscheibe weg, in der sich ihr Gesicht spiegeln konnte, bog mit ihr um die nächste Hausecke und schob sie ins dichte Gebüsch.
Ihre dunklen Augen funkelten ihn an. »Du hast doch viel mehr emotionale Bindungsängste als ich, wenn ich das mal feststellen darf. Ich mag ja gewisse Grenzen haben, aber zumindest öffne ich mich nach außen hin, um nicht zu sagen, ich stelle mich bloß. Aber du bist so sehr damit beschäftigt, dafür zu sorgen, dass nichts deine perfekte Gelassenheit stört, dass du dabei vergessen hast, dein Leben zu leben.«
Die Luft zwischen ihnen knisterte förmlich. Nicolas spürte, wie die ansteigende Energie sie einzuhüllen begann. Und Öl in die Flammen seiner bloßliegenden Gefühle goss. Gleichzeitig entdeckte er den Mann in dem dunklen Hemd, der auf einen kleinen blauen Ford zusteuerte, der einen Block von ihnen entfernt am Straßenrand stand. Der Mann schien es nicht eilig zu haben, sondern schlenderte so sorglos dahin, als wäre die Welt völlig in Ordnung.
Nicolas schaute sich um, entdeckte ein Taxi, das in der Nähe eines Restaurants parkte. In der Annahme, dass der Fahrer auf Kunden wartete, zog Nicolas eine Zwanzigdollarnote aus der Tasche und winkte dem Mann damit zu. Seine andere Hand lag schwer in Dahlias Nacken, um Körperkontakt zu halten. Er redete sich ein, er müsse ganz dicht bei ihr bleiben, um die Energie im Zaum zu halten, doch die Wahrheit ließ sich nicht in die hintersten Winkel seines Bewusstseins verbannen. Er war derjenige, der diesen Körperkontakt brauchte. Sie waren sich im Moment uneins, und er musste sich ihrer körperlichen Nähe versichern.
»Schubs mich nicht so«, beklagte sich Dahlia leicht verärgert.
Nicolas musste die Zähne zusammenbeißen, um einen Fluch zu unterdrücken. Es war schon krankhaft, dass er sich in ihrer Gegenwart ständig so unbeherrscht benahm. Krankhaft und verdammt unangenehm. Und das Schlimmste war, dass sie ihn einfach verlassen konnte. Es mochte ihr vielleicht nicht gefallen, und sie mochte ja hin und wieder gewisse Fantasien hinsichtlich seiner Person hegen, aber sie könnte es tun. Und sie war die Gefühlvolle, die Leidenschaftliche. Er konnte nicht gehen. Er hatte keine Ahnung, wie es dazu kommen konnte, wie es ihr gelungen war, so tief in seine Lungen zu kriechen, dass er ohne sie nicht mehr atmen konnte.
»Steig in das Taxi.« Er ließ es wie einen Befehl klingen, obwohl er wusste, wie sehr sie Befehle hasste.
Wie hatte das nur passieren können? All die Jahre war er wunderbar ohne sie ausgekommen. Nie hatte er auch nur einen Gedanken daran verschwendet, sich eine Frau zu suchen, um mit ihr sein Leben zu teilen. Er hatte seine Einsamkeit geliebt, die Freiheit genossen, zu tun, was ihm beliebte, zu gehen, wohin er wollte, weder emotional noch körperlich an jemanden gebunden zu sein. Bis er
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