Spiel der Finsternis: Der Bund der Schattengänger 10 - Roman (German Edition)
gefasst einen Schluck von ihrem Tee, und ihre Gedanken überschlugen sich, als sie zu entscheiden versuchte, wie weit sie bedenkenlos gehen konnte, ohne weitere Personen in Gefahr zu bringen. Es war eine Sache, ihr eigenes Leben zu gefährden, aber sie hatte jemanden in Whitneys Lager, den sie beschützen musste. Sie stellte die Teetasse behutsam ab, blickte zu Ryland auf und sah ihm forschend in die Augen.
»Ihre Ehefrau ist Whitneys einzige anerkannte Tochter, und sie ist Wissenschaftlerin und führt seine Arbeit fort. Sie hat seinen Reichtum und seine Laboratorien geerbt. Es war nicht absolut widersinnig, sich zu fragen, was sie mit ihrem Kind tut. Als ich erfahren habe, dass sie hier ein Baby hat, war ich fest entschlossen, mir mit eigenen Augen anzusehen, dass dieses Kind geliebt und nicht für Experimente missbraucht wird.«
In ihrer Stimme drückte sich keine Spur von einer Rechtfertigung aus. Sie hatte getan, was sie für richtig hielt, und sie wollte jedem am Tisch klarmachen, dass sie genau dasselbe getan hätte, wenn sie es noch einmal tun müsste. Sie würde Whitney in keiner Weise unterstützen – und schon gar nicht für Geld.
»Und was haben Sie festgestellt?«, fragte Ryland, wobei seine Stimme um eine Oktave sank.
Sam zuckte innerlich zusammen. Wenn Ryland seine Stimme senkte, war das nie ein gutes Zeichen. Alles, was mit Lily und Daniel zu tun hatte, weckte in ihm extreme Beschützerinstinkte. Azami hatte sich auf gefährlichen Boden begeben und führte nichts zu ihrer Entschuldigung an.
Sie antwortete ihm, ohne zu zögern. »Ich habe festgestellt, dass Daniel ein entzückendes und ganz erstaunliches Kind ist, das von seinen Eltern und von all seinen ›Onkeln‹ heiß geliebt und beschützt wird. Er ist sehr glücklich. Sie fördern ihn und spornen ihn an, und doch sorgen Sie für seine innere Ausgeglichenheit, damit er sich nicht vorzeitig übernimmt. Ich könnte mir keine besseren Eltern vorstellen.«
»Trotzdem ist uns entgangen, dass er sich mittels Teleportation bewegen kann.«
Als Vater wirkte Ryland verletzlich auf Azami. Es war ihr verhasst, ihm Sorgen zu bereiten. »Nun ja, zum Glück kann er es noch nicht wirklich, noch keinen halben Meter weit, vielleicht sogar nur halb so weit«, hob sie hervor. »Aber er wird es bald lernen, und er braucht Anleitung und strenge Vorschriften, denn sonst wird er sehr schlimme Unfälle haben. Ich habe es am eigenen Leib erfahren, und ich habe den Verdacht, Sam hat es auch auf die harte Tour gelernt. Daniel ist noch zu jung und sollte nicht unvermutet mitten in eine Wand geraten.« Sie beugte sich zu Ryland vor. »Was bringt Sie auf den Gedanken, Sie könnten die Anzeichen so früh an ihm wahrnehmen? Mir wären sie beinah entgangen, und ich übe täglich.«
»Ich kann mit ihm arbeiten«, erbot sich Sam. »Ich verbringe gern Zeit mit ihm, Rye.«
Rylands Blick richtete sich auf Sams Gesicht. Azami konnte ihm ansehen, dass ihm die Teleportationsversuche seines Sohnes eindeutig Sorgen bereiteten, und sie wusste, dass er allen Grund zur Sorge hatte. Es war eine extrem gefährliche Gabe, und für ein Kind – eigentlich noch ein Baby – konnte sie tödlich sein.
»Danke, Sam. Lily wird das gar nicht gut aufnehmen. Wir müssen bei Daniel ständig einen Mittelweg finden, wie viel wir ihm erlauben sollten, während wir gleichzeitig seine Fähigkeit einzuschätzen versuchen, die Dinge, die wir ihm beibringen, zu verstehen. Ich habe den Verdacht, das wird schwierig werden. Wenn es seiner natürlichen Veranlagung entspricht, Teleportation zu nutzen, um ein Plätzchen zu stibitzen, werden wir ihn ununterbrochen zurechtweisen.«
Azami lächelte ihn strahlend an. »Er liebt sein Leben. Er kann sich ziemlich gut verständigen. Er versteht bereits, dass er geliebt wird und dass Ihre Vorschriften seiner Sicherheit dienen sollen.«
»Er ist wie ein Schwamm«, sagte Ryland. »Er saugt in einem Affentempo Informationen auf. Ich bezweifle nicht, dass er viele Sprachen sprechen wird, und seine Motorik ist jetzt schon ganz erstaunlich.« Er grinste gegen seinen Willen. »Aber das glauben vermutlich alle Eltern von ihrem Kind.«
Azami beugte sich wieder zu ihm vor und fasste ihren Entschluss. Sie würde gemeinsame Sache mit den Schattengängern machen. Sie hatte keinerlei Zweifel an dieser speziellen Einheit; sie hatte die letzten Tage damit verbracht, ihnen allen nachzuspionieren. Sie hatte sogar etliche winzige Kameras an verschiedenen Orten im Haus genutzt. Eiji
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