Spiel der Finsternis: Der Bund der Schattengänger 10 - Roman (German Edition)
ein Stück Dreck, das auf den Abfall gehört, aus dem Wagen geworfen. Ich nehme an, genau das war ich in Whitneys Augen. Er hat mir immer gesagt, ich sei unbrauchbar, und schließlich hat sich mein Körper dann geweigert, seinen Experimenten standzuhalten.«
Er wollte sie in seine Arme ziehen und ihr Schutz bieten, so, wie er es bei dem kleinen Kind tun wollte, das sie gewesen war. »Es tut mir leid, dass ich nicht da war.« Er meinte es ernst. »Hat dein Vater dich dort gefunden?«
Sie nickte. »Ich war spindeldürr, mein Körper eine einzige Ansammlung von hässlichen Narben, und mein Herz hat versucht zu entscheiden, ob es funktionieren oder aufgeben sollte.« Ein winziges Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht, eine liebevolle Erinnerung, die sie amüsant fand. »Mein Vater hat mir den Kopf geschoren, in der Hoffnung, mein Haar würde schwarz nachwachsen. Es ist gestreift nachgewachsen. Wenn ich es nicht färbe, sehe ich ein bisschen so aus wie ein Stinktier.«
Er fand diese Erinnerung eher herzzerreißend als unterhaltsam, doch er lächelte trotzdem, weil sie es offensichtlich brauchte, dass ihre Erinnerung an ihren Vater ihm ebenso viel Freude bereitete wie ihr. »Ich fand schon immer, Stinktiere seien eigentlich schön anzusehen«, gestand er, und die Aufrichtigkeit verlieh seiner Stimme einen feierlichen Tonfall. Er holte tief Luft. »Und du riechst erstaunlich anders als ein Stinktier.«
Echtes Gelächter ließ ihre Augen funkeln. »Ich weiß nicht recht, Sam. Ich glaube, der Geruch eines Stinktiers könnte ganz interessant sein.«
Er ließ einen Finger über ihr Gesicht gleiten und auf ihren zarten Lippen verweilen. »Warum hast du mir nichts von Whitney erzählt?«
»Lilys wegen. Ich war nicht sicher, ob sie mit ihrem Vater zusammenarbeitet.«
»Bist du hergekommen, um sie zu töten?«
Sie wich zurück und sah ihn finster an.
»Ich könnte es verstehen, wenn das deine Absicht gewesen wäre, Azami«, gestand er. Sie hatte nicht versucht, ihn zu belügen, sondern zugegeben, dass sie dieses Kind war, und er war ziemlich sicher, dass sie ihn auch in dem Punkt nicht belügen würde.
»Nein, sie wollte einen unserer Satelliten kaufen. Ihrem Vater habe ich eine Absage erteilt. Ich musste sie persönlich treffen, um zu entscheiden, auf wessen Seite sie steht.«
Sam glaubte ihr. »Hat Whitney Kontakt zu dir aufgenommen, seit er …« Er ließ seinen Satz unbeendet in der Luft hängen, da er die Worte nicht aussprechen wollte. Es musste verletzend sein, ausrangiert zu werden, obwohl Whitney ein Monster war. Für die verwaisten Mädchen war er der einzige Elternteil gewesen, den sie jemals gekannt hatten. Er hatte sie aus Waisenhäusern geholt, als sie noch Kleinkinder waren.
»… sich meiner entledigt hat?«, beendete sie seinen Satz. Ihre Stimme war frei von Bitterkeit. »Das war das Beste, was mir hätte passieren können. Mein Vater hat mich geliebt und mir beigebracht, an mich selbst zu glauben – und wieder an die Welt zu glauben. Er hat mir einen Ehrenkodex gegeben und mir einen Weg gewiesen, etwas zu bewirken. Ich hatte fast fünfzehn Jahre mit einem Mann, der das Leben respektiert und das Böse bekämpft hat. Er hat mir jede erdenkliche Chance gegeben und mir gezeigt, dass es, obwohl mir viele Türen verschlossen sein mochten, andere ehrenwerte Wege gab, die ich einschlagen konnte.«
Sam zog die Stirn in Falten. Er hatte ihren schmerzlichen, wehmütigen Tonfall gehört, als sie gesagt hatte, viele Türen könnten ihr verschlossen sein. Wonach sehnte sie sich?
Die Kuppe seines Daumens glitt über ihre Lippen. »Wie kann dir eine Tür verschlossen sein, Azami?«
Das warf sie aus der Bahn. Für einen kurzen Moment sah er diese plötzliche Unsicherheit, die ihn schockierte. Azami war eine Frau mit großem Selbstvertrauen. Sie war intelligent, und sie war eine erfahrene Kriegerin. Was könnte es sein, wonach sie sich sehnte, was aber unerreichbar für sie war? Seine Beschützerinstinkte wallten auf. Seine Hand packte ihr Haar fester. Weißes Haar? Wie musste das wohl für ein Kind von asiatischer Herkunft sein? So traumatisiert zu sein, dass sogar die Haare auf ihrem Kopf sie verraten hatten?
»Azami, ich will es wissen. Zeig mir das Schlimmste in dir.« Er konnte nur hoffen, dass sein Gesichtsausdruck und die Aufrichtigkeit seiner Stimme für ihn sprachen. Er beugte sich vor, um seine Stirn an ihre zu pressen. »Ich kenne deine Welt und eure Sitten nicht. Ich weiß, dass alles zu schnell geht
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