Spiel der Herzen
blickte seinem Hemd nach, das sie aus dem Bett warf. »Was machst du da?«
»Ich bereite das Feld für meine Buße vor.«
»Nein«, widersprach er. »Heute nicht mehr. Die Natur macht nicht mehr mit.«
Clara lächelte.
»Die deine vielleicht nicht mehr, Süßer. Die meine schon noch. Und die deine können wir entbehren.«
Sie lockerte ihm den Hosenbund.
»Steh bitte auf, Süßer.«
Werner erhob sich, sagte aber dabei: »Es hat wirklich keinen Zweck …«
Die Hose glitt ihm von den Hüften und rutschte hinunter auf den Boden, sich ziehharmonikaartig zusammenfaltend. Dort lag sie nun, und er stieg aus den Röhren heraus. Bald hatten sich zu der Hose auch seine Unterhose und Socken gesellt.
Clara seine Vorderseite zukehrend, sagte dann Werner: »Sieh selbst, daß es wirklich zwecklos ist.«
Doch Clara schien von ihrem Optimismus nicht lassen zu wollen.
»Jetzt bist du begriffsstutzig«, sagte sie und streckte die Arme nach ihm aus: »Komm.«
Das berühmte Dichterwort ›Halb zog sie ihn, halb sank er hin‹ erfuhr wieder einmal eine Bestätigung, aber als Werner seinen alten Platz an Claras Seite – Haut an Haut – eingenommen hatte, sah es in der Tat nicht danach aus, daß sich Clara davon das, was sie begehrte, würde versprechen können.
»Was habe ich dir gesagt?« seufzte Werner.
Clara erwiderte nichts, lächelte, ihre Hand verweilte bei ihm nur kurz dort, wo seine Natur, wie angekündigt, ihr – und ihm – die kalte Schulter zeigte; dann richtete sich Clara auf, schlug die Decke zurück und begann, von Werners Brust über seinen Bauch hinunter eine Spur von Küssen zu legen. Jeder Zweifel daran, wo diese Kette enden würde, war ausgeschlossen.
Werner lag still, ächzte aber bald: »Guuut.«
»Gut?« fragte Clara. Um sprechen zu können, mußte sie ihre mit dem Mund ausgeübte Tätigkeit unterbrechen.
»Nicht aufhören!« rief Werner sofort flehentlich.
»Siehst du«, sagte Clara mit Genugtuung.
»Mach weiter, ich bitte dich.«
Clara wohnte, um das noch einmal zu erwähnen, in einem Altbau, der über solide, dicke Mauern verfügte. Das zahlte sich nun aus. Wären nämlich Clara und Werner von den hellhörigen Wänden neuerer Bauart umschlossen gewesen, hätten Nachbarn zu vieles von dem mitbekommen, was sich in Claras Schlafzimmer zutrug. Die Laute, die Werner von sich gab, hätte jeder gehört, der auf der Etage anwesend gewesen wäre. Und die Art dieser Laute, ihr Klang, war so, daß nur Kleinkinder sich noch hätten fragen müssen, welcher Erlebniswelt sie entsprangen. Der Grundton war Stöhnen, das sich abwechselnd in Gestammel oder Schreie wandelte, Schreie der Lust. Sie mehrten sich, als der absolute, vom Paradies erhalten gebliebene, sich immer wieder erneuernde Höhepunkt allen irdischen Lustempfindens heranrückte.
Clara war eine Frau, die ihren Orgasmus, wenn man so sagen will, buchstäblich bejahte. (»Ja« … »jaaa« … »jaaaa« … usw.)
Werner war ein Mann, der seinen Orgasmus mit dem langgezogenen Vokal o begleitete: »oooooooooo …« So auch jetzt wieder.
Dann verstummte er, regte sich nicht mehr, überließ sich dem Nachklang. Als er endlich die Augen öffnete, wollte er sich schier wundern darüber, daß die Dinge, die er sah – das Zimmer, die Einrichtung – noch so waren wie vorher, daß sie sich nicht irgendwie verändert hatten, so wie er glaubte, sich selbst auch irgendwie verändert zu haben. Eine solche Empfindung kann eine ganze Weile anhalten. Sie kennzeichnet den perfekten Orgasmus.
Clara regte sich, stieg, mit dem Rücken zu ihm, aus dem Bett.
»Was machst du?« fragte er.
Ohne sich umzudrehen, erwiderte sie: »Ich gehe ins Bad.«
»Ich auch«, sagte er, sich aufrichtend.
»Du kannst liegenbleiben.«
»Wieso?«
»Sieh dich an.« Clara verschwand im Bad. Nur noch ihre Stimme erreichte ihn durch die offene Tür. »Du bist unbefleckt.«
In der Tat, das war er.
Ausdrücke hat die, dachte er.
Aus dem Bad drangen Geräusche, die davon kündeten, daß Clara sich den Mund spülte. Als sie zurückkam, war zu sehen, daß sie sich auch gekämmt und die Lippen geschminkt hatte. Wieder bei ihm unter der Decke, umarmte sie ihn. Ein verspäteter Tadel schwebte ihm auf den Lippen.
»Das muß nicht sein«, sagte er mit angerauhter Stimme.
»Was muß nicht sein?«
»Daß du das auch noch schluckst«, sagte er. »Klar, daß du dich davor ekeln mußt.«
Sie drückte ihn an sich.
»Erstens«, erwiderte sie, »war da kein Muß dabei. Und zweitens«, setzte sie
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