Spiel der Herzen
einer solchen Adresse gedient wäre. Von ›bewegen wollen‹ kann überhaupt keine Rede sein.«
»Und der positive Artikel, was war mit dem?«
»Den muß Herr Fahrenheit genauso in den falschen Hals gekriegt haben.«
Wie man sieht, verlor Werners Rhetorik ihre Einbettung ins Juristische und gewann dafür eine ins Anatomische.
»Vorausgesetzt, daß ich das, was Sie damit sagen, nicht irrig deute«, antwortete Frau Dr. Herzer, »wäre darin eine Basis zu erblicken, die den Konflikt lösen könnte.«
»Welche denn?«
»Eine des Mißverständnisses«, erklärte sie. »Oder wollten Sie etwas anderes sagen, als daß Herr Fahrenheit Sie falsch verstanden haben muß?«
Werner blickte die Dame an. Was hier geschieht, ist klar, dachte er. Ich werde abserviert. Als Posträtin ist die mir über. Aber als Frau? Wie steht's damit? Frau ist sie ja auch noch, nicht nur Beamtin.
Evelyn Herzer hatte ursprünglich ihr rechtes Bein über das linke geschlagen. Nun nahm sie einen Wechsel vor, schlug das linke über das rechte. Werner verfolgte das Schauspiel interessiert und dachte: Kein Zweifel, sie ist auch noch Frau.
»Je länger ich hier sitze«, sagte er, »desto unwichtiger wird für mich die Frage, ob mich Herr Fahrenheit falsch verstanden hat oder nicht.«
»Soll das heißen, daß Sie Ihre Beschwerde zurückziehen wollen?«
»Das verdankt er nur Ihnen.«
»Mir?«
»Ihrer charmanten Art.«
Posträtin Herzer konnte auch, ebenso wie Amtmann Fahrenheit, ihre Augenbrauen sehr deutlich in die Höhe ziehen. Das zeigte sich jetzt.
»Meiner charmanten Art«, erklärte sie, »soll der nichts zu verdanken haben. Die gibt es nicht.«
»Im Dienst nicht, wollen Sie sagen?«
»Ja.«
»Sie irren sich«, widersprach er. »Und wie es die gibt. Deshalb sprengt sie auch jede Vorstellungskraft, wie sie erst außer Dienst sein mag. Darf ich mir ein Bild von ihr machen?«
»Wie soll ich das verstehen?« fragte Frau Dr. Herzer sichtlich irritiert, wobei sie dachte: Ist der nicht bei Trost? Will der mich -
»Ich möchte mir erlauben, Sie zum Abendessen einzuladen«, unterbrach Werner ihren Gedankengang.
»Sie scheinen zu vergessen, wo Sie sich befinden.«
Werner grinste.
»In einem Amtszimmer, wenn ich nicht irre.«
»Richtig. Deshalb möchte ich Sie bitten, sich auf Ihr ursprüngliches Vorbringen zu beschränken.«
So einen wie den habe ich noch nicht erlebt, dachte sie. Unglaublich! Wenn er sich nicht sofort so benimmt, wie es hier drinnen normal ist, setze ich ihn vor die Tür.
»Schade«, seufzte Werner.
»Was ist schade?«
»Daß Sie mir einen Korb geben.«
Er hörte also nicht auf.
»Sagen Sie mal, für was halten Sie mich eigentlich?« fragte Evelyn Herzer ihn.
Einigermaßen kompliziert erwiderte Werner: »Nicht für das, was Sie glauben, daß ich Sie halte.«
»Scheinbar doch.«
»Nein!« beteuerte Werner. »Und ich würde Ihnen das gerne beweisen.«
»Dann tun Sie's, bitte.«
»Wie denn? Wo denn?«
»Hier drinnen. Benehmen Sie sich so, wie sich das gehört.«
Werner verstummte. Das hat keinen Zweck mit der, dachte er. Ich habe mich getäuscht, die ist durch und durch nur Posträtin, nichts anderes. Ich hätte sie ja gern gebumst, aber bei der beißt auch jeder andere auf Granit, nicht nur ich. Entweder hat sie schon einen, mit dem sie regelmäßig schläft, oder sie ist frigide. Beziehungsweise gar lesbisch.
Er blickte sie an. Und dann haute es sie fast vom Stuhl.
»Also gut«, sagte er, »ich gebe zu, daß ich ein Schürzenjäger bin und geglaubt habe, in Ihnen mein nächstes Opfer sehen zu können. Sie haben mich aber durchschaut. Ich beglückwünsche Sie dazu.«
Evelyn Herzer war verwirrt. So einen hatte sie wirklich noch nicht erlebt. Die Worte fehlten ihr jetzt. Werner schraubte sich von seinem Stuhl hoch. Er wollte dabei in seiner Länge nach oben schier kein Ende nehmen. Evelyn Herzer hatte eine Schwäche für große, schlaksige Männer. Der Längste, mit dem sie bisher geschlafen hatte, war immer noch – so ihre Schätzung – einen halben Kopf kleiner gewesen als der hier.
»Darf ich mich verabschieden?« fuhr Werner fort. »Und bestellen Sie Herrn Fahrenheit noch, daß auch er mich durchschaut hat. Er hat mich nicht falsch verstanden, sondern richtig. Ich bedaure das Theater, das ich gemacht habe, indem ich zu Ihnen gerannt bin.«
Er wandte sich zur Tür, blieb aber noch einmal auf halbem Weg stehen, als er die Posträtin sagen hörte:
»Herr Ebert.«
Er drehte sich langsam zu ihr um.
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