Spiel der Herzen
warten würde. Widerwillig entschloß er sich deshalb, mit ihr zu telefonieren und ein Friedensangebot zu machen. Vorher fiel ihm aber noch ein, daß er sich überhaupt noch nicht bei Helga und Frank für den Abend bei ihnen bedankt hatte. Helga war die Wichtigere (als Hausfrau), deshalb rief er sie nun an.
»Helga«, begann er, »du mußt entschuldigen, ich habe ganz vergessen, dir zu sagen, wie nett es bei euch wieder war. Hoffentlich nimmst du mir das nicht krumm?«
»Aber nein.«
»Danke, Helga«, sagte er und setzte zu seiner üblichen Masche an: »Ich könnte das nicht ertragen, gerade von dir nicht –«
»Wie geht's dir?« unterbrach sie ihn.
»Gut – und dir?«
»Genauso.«
»Kein Sodbrennen mehr?«
»Nein.«
»Das freut mich«, sagte er. »Ich weiß, wie unangenehm das sein kann.«
»Was macht Clara?«
»Clara?«
»Ja.«
»Dasselbe« – er räusperte sich zweimal – »wollte ich dich fragen.«
»Mich?«
»Vielleicht weißt du das besser. Ihr spielt doch zusammen Skat?«
»Ihr trefft euch doch?«
»Wir haben uns seitdem nicht mehr gesehen.«
Daraufhin blieb es stumm in Werners Hörer. Helga schwieg.
»Du fragst mich nicht, warum?« fuhr Werner fort.
»Nein.«
»Interessiert es dich nicht?«
»Ich kann es mir denken.«
»Hat sie mit dir gesprochen?«
»Nein.«
»Das Theater, das die mir gemacht hat, kannst du dir nicht vorstellen.«
»Doch.«
»Und zwar wegen deiner Freundin.«
»Hm.«
Helgas Einsilbigkeit im Gespräch mit Werner war etwas ganz Neues. Das hätte ihm zu denken geben müssen.
»Aber ich lasse ihr das nicht durchgehen.«
»Hm.«
»Jetzt wartet sie darauf, daß ich zu Kreuze krieche.«
In Werners Hörer blieb es wieder stumm.
»Du sagst nichts, Helga. Ich habe den Eindruck, daß du in Claras Lager stehst.«
Nun sagte Helga etwas.
»Ja.«
»Was?!« rief Werner aufgebracht. »Seid ihr denn alle nicht mehr normal?«
»Ich glaube schon«, antwortete Helga kühl. »Wir können nämlich objektiv denken.«
Werner wurde ironisch.
»Jaja, daß Frauen in puncto Objektivität von jeher sehr viel am Hut haben, ist allgemein bekannt.«
»Oft mehr als Männer.«
Werner zwang sich zu einem konzilianteren Ton.
»Was habe ich denn getan, um alles in der Welt?«
»Das wird dir Clara schon klargemacht haben.«
»Man darf doch noch ein bißchen flirten.«
Helga hatte kurz zuvor in der Küche einen Topf mit Kartoffeln auf den Herd gestellt und wußte, daß der Topf überzukochen drohte. Sie war deshalb mit einem Ohr bei den Geräuschen aus der Küche.
»Was sagtest du?« fragte sie Werner.
»Daß man doch noch ein bißchen flirten darf.«
Darauf konnte Helga nur sagen: »Alles hat seine Grenzen, mein Lieber.«
»Und die habe ich, findest du, überschritten?«
»Eindeutig.«
»Armer Frank!«
Dieser Ausruf Werners war ein Fehler von ihm. Helga, deren Kühle ihn schon hätte warnen müssen, wurde nun zornig.
»Laß meinen Mann aus dem Spiel«, stieß sie hervor. »Wir beide – Frank und ich – brauchen von dir keine solchen Urteile über sein Los in unserer Ehe. So war das doch gemeint!«
Werners Rückzieher kam rasch und rettete ihn wieder einigermaßen.
»Entschuldige.«
»Da verstehe ich nämlich keinen Spaß.«
»Ich werde so etwas nie wieder sagen.«
»Gut.«
»Auch Clara gegenüber werde ich zu Kreuze kriechen, das verspreche ich dir.«
»Ich bin zwar nicht Clara, trotzdem freut es mich. Sie wird sicher –«
Der Kartoffeltopf kochte über, anschwellend zischte es aus der Küche.
»Werner!« rief Helga. »Ich muß Schluß machen, vielleicht kannst du hören, was sich in meiner Küche tut. Wiedersehen.«
»Wiedersehen, Helga.«
Kaum hatte Werner aufgelegt, schrillte sein Telefon laut und aufdringlich, als wäre es eine Ewigkeit daran gehindert worden, das zu tun. Und wie sich herausstellte, war das auch der Fall.
»Herr Doktor Ebert«, begann eine vorwurfsvolle Frauenstimme. »Sie zu erreichen ist eine entsetzliche Geduldsprobe. Ich habe das jetzt so lange versucht, bis mir fast die Haare grau wurden.«
»Mit wem spreche ich?«
»Auch das noch. Sie erkennen mich nicht?«
»Frau Maier?«
»Ja, Gerti Maier?«
»Sie müssen mir verzeihen, wir haben noch nie miteinander telefoniert.«
»Deshalb wird es dazu auch höchste Zeit«, lachte Gerti. Auch Werner grinste. Es war das lautlose Grinsen eines Jägers, dem sich plötzlich und ganz unerwartet eine Beute zeigt, die ihm gehören wird.
»Was verschafft mir die Ehre Ihres Anrufes?« fragte er
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