Spiel der Herzen
sie überhaupt nichts zu tun haben. Wo bleibt dein Verstand? Sagt dir denn Helgas Sodbrennen nichts?«
»Was soll mir das sagen?«
»Daß das eine Finte war.«
»Eine Finte?«
»Damit hat sie doch für ein Ende der Party gesorgt. Mir wurde so von ihr bedeutet, daß es gar keinen Zweck hätte, zurückzukehren. Begreifst du das?«
Clara ließ sich das, was Werner gesagt hatte, durch den Kopf gehen.
»Falls ich das überhaupt vorgehabt hätte«, ergänzte er nach kurzer Pause.
Wenn es Tag gewesen wäre, hätte man sehen können, wie es hinter Claras Stirn arbeitete. Dann stahl sich ein kleines Lächeln in ihr zorniges, aufgewühltes, trauriges Gesicht. Dabei sagte sie leise: »Ich muß sie um Verzeihung bitten.«
»Wollen wir ewig hier stehenbleiben?« fragte Werner.
Sie setzten ihren Weg fort. Nach einer Weile merkte Werner, daß Clara weinte. Sie war bemüht, ihr Schluchzen zu unterdrücken, hatte aber wenig Erfolg damit. Nun hielt Werner an. Wenn es nämlich etwas gab, das er nur schwerlich ertragen konnte, dann waren das die Tränen einer Frau.
»Clara«, sagte er, »bitte, mach kein Theater.«
Die Rollen hatten gewechselt. Jetzt schwieg Clara.
»Ich möchte wirklich wissen, was du hast«, fuhr er fort.
Keine Antwort. Nur die Tränen flossen.
»Es ist doch nichts passiert.«
Clara versuchte weiterzugehen, aber Werner hinderte sie daran, indem er sie am Arm festhielt.
»Du hast doch auch schon mit Frank geflirtet, und ich habe darüber hinweggesehen.«
»Ich geflirtet mit Frank?!« stieß Clara hervor. »Bist du verrückt? Wann?«
»An jenem Abend bei mir«, zog Werner etwas an den Haaren herbei, das überhaupt nicht stimmte.
Clara vergaß vor Empörung sogar zu weinen.
»Du bist wirklich verrückt!« sagte sie mit bebender Stimme. »Er war mir vom ersten Augenblick an sympathisch, und das habe ich zu erkennen gegeben – mehr nicht! Wenn ich mich recht erinnere, hat dich das sogar gefreut.«
»Ich mache dir ja auch gar keine Vorwürfe.«
»Genau das hast du aber soeben getan!«
Sie gingen wieder weiter. Werner hoffte, Claras Tränen würden nicht wieder fließen, aber dieser Wunsch wurde ihm nicht erfüllt. Clara begann abermals zu weinen, und das setzte sich, ungeachtet seiner Versuche, sie zu beruhigen, fort bis zu ihrer Haustür.
»Soll ich noch mit raufkommen?« fragte Werner.
»Nein.«
Er nickte. Beide waren sich einig. Keinem stand der Sinn danach, den Rest dieser Nacht noch miteinander zu verbringen. Clara sperrte die Haustür auf, dann drehte sie sich noch einmal um und sagte mit tränennassem Gesicht: »Werner, ich weiß, daß ich gegen die nicht gewinnen kann –«
»Wer spricht denn davon?« unterbrach er sie.
»Ich spreche davon«, sagte sie mit müdem Nachdruck. »Die ist hübscher als ich, eleganter, intelligenter, amüsanter, gebildeter –«
»Wieso gebildeter?« widersprach Werner erst in diesem Punkt. Das war bezeichnend.
»Ich habe nur Abitur; sie studiert, konnten wir aus ihrem Mund erfahren.«
»Irgend etwas mit Kunst«, meinte Werner geringschätzig. »Das ist kein Grund für dich, Minderwertigkeitskomplexe zu haben.«
»Vielleicht hätte ich die nicht, wenn nicht noch etwas dazukäme … das Allerwichtigste für dich …«
»Was denn?«
»Sie hat auch noch mehr Sexappeal als ich.«
»Stell doch dein Licht nicht gar so unter den Scheffel«, versuchte er es mit einem Witzchen. Vergebens.
Clara reagierte darauf nicht, ihre Augen, mit denen sie ihn anblickte, blieben erloschen. Nur ihre Stimme hob sich etwas.
»Aber eins fehlt ihr, Werner …«
Kurze Pause.
»Sie liebt dich nicht.«
Rasch wandte sie sich ab, drückte die Tür auf, schlüpfte in den dunklen Hausflur hinein und war verschwunden. Sie wollte nicht, daß vielleicht jemand zufällig ihr verschmiertes, von den Tränen ihres Make-up beraubtes Gesicht hätte sehen können.
Werner drehte ab, um nach Hause zu gehen, nicht ohne vorher Clara noch ein gemurmeltes »Verrückt« nachzusenden. Automatisch griff er beim Gehen in die Tasche, holte seine Zigaretten hervor und zündete sich eine an. Nach wenigen Zügen warf er sie aber in die Gosse.
Sie schmeckte ihm nicht …
Drei Tage vergingen, in denen Funkstille herrschte zwischen Werner und Clara. Er hörte nichts von ihr, sie nichts von ihm. Ich habe keine Veranlassung, den ersten Schritt zu tun, dachte er. Sie war diejenige, die Theater gemacht hat.
Am vierten Tage begann er zu ahnen, daß er vergeblich auf einen Anruf oder gar einen Besuch von ihr
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