Spiel der Herzen
Vertreter verriet mir, daß sie nicht liquid ist. Das wäre natürlich das beste für uns, wenn sie zumachen müßte. Wenn nicht, müssen wir das Problem für uns auf andere Weise lösen.«
»Wie denn?«
»Am besten, indem wir sie unter unsere Fittiche nehmen, ehe sie zu stark wird.«
»Ich verstehe.«
»Man könnte vielleicht sogar ihren Laden dem unseren angliedern, das wäre nicht verkehrt in dieser Zeit, in der angeblich alles nach Boutiquen schreit. Mir persönlich geht allerdings schon der Name gegen den Strich.«
»Wann soll ich mich denn an die ranmachen?«
»Schleunigst, habe ich gesagt. Fick sie erst mal, daß ihr Hören und Sehen vergeht, das ebnet den Boden für alles Weitere.«
Katharina hatte sich inzwischen wieder so weit erholt, daß sie ihren Göttergatten fragen konnte, ob er sich nicht selber sagen müsse, daß solche Ausdrücke sogar in Kutscherkreisen zwischen Vater und Sohn nicht üblich seien.
Berthold Culldorf sen. winkte nur mit der Hand, holte sich seine Zigarre vom Aschenbecher und verließ das Zimmer.
Versehen mit dem Auftrag seines Erzeugers, kam also Berthold Culldorf jun. zu Clara v. Berg, deren Kundschaft normalerweise nicht aus Männern bestand. Schon deshalb erregte sein Erscheinen in der Boutique ein bißchen die Verwunderung Claras. Selbstverständlich war aber Clara bemüht, dies nicht erkennen zu lassen.
»In Ihrem Schaufenster liegt ein hübscher Schal«, begann der junge Berthold Culldorf. »Den möchte ich haben.«
»Welchen, bitte?«
»Den braun-grün gemusterten.«
Clara ging zum Schaufenster, um es von hinten zu öffnen.
»Aber ich will nicht, daß Sie Ihre Dekoration zerstören müssen«, beeilte sich Berthold zu sagen. »Es macht mir nichts aus, eine gewisse Wartezeit auf mich zu nehmen.«
»Ich habe doch noch andere fürs Fenster«, lächelte Clara.
Als sie Berthold den Schal in die Hand legte, tat sie dies mit den Worten: »Ein schönes Stück.«
»Können Sie sich in den Geschmack einer alten Dame hineinversetzen?« fragte Berthold.
»Ich hoffe es«, erwiderte Clara. »Wieso?«
Er hob ihr den Schal entgegen.
»Ich habe ihn für meine Mutter gedacht.«
»Wie nett«, sagte Clara, verstärkt lächelnd. »Er wird ihr sicher gefallen.«
Das Urteil, das sich Culldorf jun. aus der Nähe über Clara rasch schon gebildet hatte, war durchaus positiv: tadelloses Gebiß; volle Lippen; gerade Nase; schöne Augen; das ganze Gesicht hübsch; gepflegtes Haar; leckerer Busen und Hintern; die ganze Figur gut; nur die Beine etwas zu kurz für den Zeitgeschmack. Aber wo gab's schon noch einmal die vollkommene, die absolut lückenlose weibliche Schönheit, seit das antike Milo der Menschheit verlorengegangen ist.
Des Vaters Auftrag schien nicht seiner Reize für den Sohn zu entbehren.
Berthold befühlte den Schal, rieb den Stoff zwischen den Fingern.
»Reine Seide, ich führe nichts anderes«, sagte Clara. »Aber das haben Sie sicher schon bemerkt?«
»Das ist oft recht schwierig.«
»Nicht für Sie.«
Er blickte sie an.
»Wieso nicht für mich?«
»Sie sind doch Herr Culldorf, ein Fachmann also?«
»Sie kennen mich?«
»Vom Sehen.«
»Genau wie ich Sie«, lachte er.
Auch er war ein gutaussehender junger Mann, erfolgsgewohnt bei jungen Damen. Seine Schwächen lagen im Charakter, den seine Zugehörigkeit zum Heidenohler Geldadel verdorben hatte. Berthold glaubte, daß ihm die Tür jedes Schlafzimmers, das er ansteuerte, offenstehen mußte.
Diese Überzeugung verleitete ihn gern zu überstürztem Vorgehen. Seine Devise schien zu sein: Warum Zeit verlieren?
Auf den Schal zeigend, sagte er zu Clara: »Okay, packen Sie ihn mir ein, ich nehme ihn. Was kriegen Sie?«
»Zweiundvierzigneunzig«, sagte Clara, während sie sich anschickte, den Schal in eine Tüte zu stecken.
Seine Geldbörse ziehend, fragte Berthold: »Wann gehen Sie mit mir essen?«
Claras Hand mit dem Schal hielt auf halbem Weg in der Tüte inne.
»Sollte ich das?«
Berthold hielt das schon für eine Zusage.
»In Soltenau weiß ich ein prima Lokal, da fahren wir hin. Heute ist Donnerstag. Am Donnerstag bieten die immer besondere Wildspezialitäten. Am Freitag natürlich Fisch. Mögen Sie Wild?«
»Nein.«
»Fisch?«
»Nein.«
In Wahrheit aß Clara sowohl Wild als auch Fisch für ihr Leben gern.
»Was mögen Sie denn?« fragte Berthold ein bißchen unwillig.
»Zur Zeit gar nichts.«
»Sie fasten?« erkundigte er sich, ließ seinen unverhüllten Blick über ihre Figur gleiten und
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