Spiel der Magier
»Nicht, weil sie stärker ist als ich, sondern weil sie anders denkt. Wir sind noch nicht sicher, wieviel du vollbringen kannst, weil wir noch nicht genau wissen, wie dein Geist arbeitet. Du scheinst einige Dinge ganz leicht tun zu können, die ich nicht einmal versuchen würde. Vielleicht, weil du nicht erkennst, wie schwierig sie sind.«
»Ich verstehe nicht, was du meinst.«
Der alte Mann sah ihn an. »Vielleicht nicht. Erinnerst du dich an den verrückten Mönch, der dich in dem Dorf in Nordtolnedra angreifen wollte. Kurz, nachdem wir Arendien verlassen hatten?«
Garion nickte.
»Du hast seinen Irrsinn geheilt. Das klingt nicht so großartig, bis man begreift, daß du in dem Moment, in dem du ihn geheilt hast, die Natur seiner Geisteskrankheit vollständig verstehen mußtest. Das ist außerordentlich schwer, und du hast es getan, ohne auch nur darüber nachzudenken. Und dann war da natürlich das Fohlen.«
Garion warf einen Blick durch das Fenster auf das kleine Pferdchen, das über die Wiese tollte, die den Turm umgab.
»Das Fohlen war tot, aber du hast es wieder zum Atmen gebracht. Um das tun zu können, mußtest du den Tod begreifen können.«
»Es war einfach nur eine Wand«, erklärte Garion. »Ich habe nur hindurchgegriffen.«
»Ich glaube, es ist mehr als das. Du kannst dir anscheinend extrem schwierige Dinge in ganz einfachen Bildern vorstellen. Das ist eine seltene Gabe, aber sie birgt auch Gefahren, die du kennen solltest.«
»Gefahren? Welche?«
»Du darfst nicht zu sehr vereinfachen. Wenn ein Mann tot ist, zum Beispiel, ist er gewöhnlich aus einem sehr guten Grund tot – weil er ein Schwert im Leib stecken hat oder so. Wenn du ihn zurückholst, wird er sofort wieder sterben. Wie ich schon sagte, nur weil du etwas tun kannst, heißt das nicht notwendigerweise, daß du es tun solltest. «
Garion seufzte. »Ich fürchte, es wird sehr lange dauern, Großvater«, sagte er. »Ich muß lernen, mich unter Kontrolle zu halten; ich muß lernen, was ich nicht tun darf, damit ich mich nicht selbst töte, bei dem Versuch, etwas Unmögliches zu tun; ich muß lernen, was ich tun kann und was ich tun sollte. Ich wünschte, mir wäre das alles nicht passiert.«
»Das wünschen wir uns alle manchmal«, sagte der alte Mann. »Aber es war nicht unsere Entscheidung. Ich habe auch nicht immer alles gern getan, was ich tun mußte, und deine Tante auch nicht; aber was wir tun, ist wichtiger, als was wir sind; also tun wir, was von uns erwartet wird ob es uns nun gefällt oder nicht.«
»Was, wenn ich einfach sagte ›Nein, das tue ich nicht‹?«
»Das könntest du wohl tun, denke ich, aber du würdest nicht, oder?«
Garion seufzte wieder. »Nein«, sagte er. »Wahrscheinlich nicht.«
Der alte Zauberer legte seinen Arm um die Schulter des Jungen. »Ich dachte mir, daß du die Dinge so sehen würdest, Belgarion. Du bist genauso dafür bestimmt wie wir alle.«
Der seltsame Schauer, den er immer verspürte, wenn er seinen anderen, geheimen Namen hörte, überlief Garion. »Warum beharrt ihr alle darauf, mich so zu nennen?«
»Belgarion?« fragte Wolf sanft. »Denk nach, Junge. Denk darüber nach, was er bedeutet. Ich habe nicht all die Jahre mit dir geredet und dir Geschichten erzählt, weil ich den Klang meiner Stimme so liebe.« Garion überlegte gründlich. »Du warst Garath«, grübelte er, »aber der Gott Aldur hat dir den Namen Belgarath gegeben. Zedar hieß erst Zedar und dann Belzedar – und dann wieder Zedar.«
»Und in meinem alten Stamm wäre Polgara nur Gara gewesen. Pol ist wie Bel. Der einzige Unterschied besteht darin, daß sie eine Frau ist. Ihr Name kommt von meinem – weil sie meine Tochter ist. Dein Name kommt auch von meinem.«
»Garion – Garath«, sagte der Junge. »Belgarath – Belgarion. Es paßt alles zusammen, nicht wahr?«
»Natürlich«, antwortete der alte Mann. »Ich bin froh, daß es dir aufgefallen ist.«
Garion grinste ihn an. Dann kam ihm ein Gedanke. »Aber ich bin noch nicht richtig Belgarion, oder?«
»Noch nicht ganz. Du mußt noch ein Stück gehen.«
»Ich glaube, dann sollte ich besser anfangen.« Garion sagte es etwas reuevoll. »Wenn ich doch keine Wahl habe.«
»Ich wußte, daß du es schließlich einsehen würdest«, sagte Meister Wolf.
»Wünschst du dir nicht manchmal, daß ich einfach nur Garion wäre und du der alte Geschichtenerzähler, der zu Faldors Farm kommt, wo Tante Pol in der Küche das Abendessen kocht wie früher – und wir verstecken
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