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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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leider nichts für dich tun. Allein in unserem Revier verschwindet jede Woche ein halbes Dutzend Menschen – wo kämen wir hin, wenn wir all diesen Fällen nachgehen würden?«
    »Aber …«
    »Entschuldige mich, ich habe zu tun«, sagte der Polizist endgültig. Er kehrte an seinen Schreibtisch zurück, setzte sich und widmete sich erneut der Pastete, die ihn weit mehr zu interessieren schien als ein verschwundener Vater.
    Cyn holte schnaubend Luft. Sie war drauf und dran, ihrer Angst und dem Zorn, der plötzlich in ihre Adern schoss, lauthals Ausdruck zu verleihen – aber dann ließ sie es bleiben. Es wäre ja doch vergeblich gewesen.
    »Ist noch was?«, fragte Finlay kauend und mit vollen Backen.
    Sie schüttelte den Kopf, dann wandte sie sich ab und verließ die Polizeistation.
    Traurig machte Cyn sich auf den Heimweg, den Kopf gesenkt und mit von Tränen verschleiertem Blick. Die Menschen um sich herum nahm sie nur noch wie aus weiter Ferne wahr, ebenso wie die Schreie der Händler, die strengen Gerüche und die klamme Kälte. Irgendwann – wie lange sie unterwegs gewesen war, wusste sie gar nicht mehr – langte sie wieder beim Theater an. Sie betrat es durch den Hintereingang und nahm die Treppe hinauf zur Wohnung.
    Auf halber Höhe blieb sie jedoch stehen.
    Die Tür stand halb offen – und das, obwohl Cyn sicher war, sie sorgfältig hinter sich geschlossen zu haben.
    Ein Einbruch?
    Cyns Herzschlag beschleunigte sich unwillkürlich, während sie die letzten Stufen im Sprung nahm und in die Wohnung stürmte. Einbrecher traf sie nicht an, jedoch entfuhr ihr ein Schrei der Erleichterung, als sie die gebeugte Gestalt erblickte, die am Esstisch saß und eine Schüssel Porridge löffelte.
    Es war ihr Vater!

6
    ZEIT DER VERÄNDERUNG
    »Vater!«
    Cyn stürmte zu ihm und umarmte ihn vor Wiedersehensfreude, drückte sich an ihn, so wie sie es früher als kleines Mädchen getan hatte, Tränen des Glücks und der Erleichterung in den Augen. »Oh Vater!«
    »Mein Kind«, erwiderte er, und Cyn war überglücklich, seine Stimme zu hören.
    »Ich bin so froh, dass du da bist! Ich dachte schon, dir wäre etwas zugestoßen!«
    »Mir?« Er lachte ebenso leise wie seltsam. »Wieso sollte mir etwas zugestoßen sein?«
    Cyn löste sich von ihm, blickte in seine milden, von weißlichem Haar umrahmten Züge – und erkannte, dass etwas anders war. Vorhin, im Überschwang des Augenblicks, war es ihr nicht aufgefallen, aber jetzt sah sie es.
    Der Blick, mit dem ihr Vater sie bedachte, war unbeteiligt, ja beinahe gelangweilt. Außerdem war er unrasiert, und das linke Glas seiner Brille war von Sprüngen durchzogen.
    »Was ist mit deiner Brille geschehen?«, wollte sie wissen.
    »Mit meiner Brille?« Er sah sie verständnislos an. Dann nahm er die Gläser ab und betrachtete sie, schien das Missgeschick erst in diesem Moment zu bemerken. »Nichts weiter«, behauptete er dennoch achselzuckend. »Es ist alles gut.«
    »Alles gut?« Sie wollte es nicht, aber hilfloser Zorn kam plötzlich über sie. »Vater, hast du eine Ahnung, was für Sorgen ich mir deinetwegen gemacht habe? Ich hatte Angst, dir könnte etwas zugestoßen sein! Den ganzen Tag über habe ich nach dir gesucht, sogar bei der Polizei bin ich gewesen!«
    »Wozu?« Er schüttelte den Kopf. »Es geht mir gut.«
    »Da bin ich froh«, entgegnete Cyn und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, von denen sie inzwischen nicht mehr wusste, ob es Tränen der Erleichterung, des Zorns oder der schieren Erschöpfung waren. Irgendetwas an ihrem Vater war anders als sonst, sein Verhalten war überaus sonderbar.
    Kein Wort des Trostes, keine Silbe des Bedauerns. Nicht dass Cyn darauf bestanden hätte, sie war mehr als glücklich darüber, ihren Vater lebend und wohlbehalten zurückzuhaben. Doch das Verhalten, das er an den Tag legte, passte so ganz und gar nicht zu ihm.
    »Ist wirklich alles in Ordnung?«, wollte sie wissen.
    »Alles in Ordnung«, echote er und aß weiter seinen Brei, in dem sich dicke Getreideklumpen gebildet hatten. Normalerweise hasste er es, wenn das passierte, doch heute schien er sich nicht im Geringsten daran zu stören.
    »Wo bist du gewesen?«
    »Was meinst du?« Der Blick, den er ihr zuwarf, war so verständnislos, dass sie erschrak.
    »Ich meine, wo du gewesen bist«, wiederholte sie. »Du bist die ganze Nacht und einen Tag lang fortgeblieben. Irgendwo musst du in all dieser Zeit doch gewesen sein.«
    Er starrte sie an, doch seine Augen schienen sie nicht

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