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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Träume – all das schien zu viel für ihn gewesen zu sein.
    »Du hast dich verändert, Vater«, flüsterte sie.
    »Alles verändert sich, mein Kind«, erwiderte er nur.
    Cyn nickte, noch mehr Tränen traten ihr in die Augen und rannen an ihren Wangen herab. Es war offensichtlich, dass ihr Vater nicht mehr der war, der noch am Vorabend das Theater verlassen hatte.
    Verwirrt und bestürzt zugleich ging sie hinaus. Im Flur lag der Mantel ihres Vaters auf dem Boden, scheinbar achtlos hingeworfen – auch das war mehr als untypisch für ihn.
    In einem Reflex, verzweifelt darum bemüht, ein wenig von der alten Ordnung aufrechtzuerhalten, bückte sich Cyn und hob den Mantel auf, wollte ihn an einen der langen Nägel hängen, die als Garderobenhaken dienten – als etwas aus der Tasche rutschte und zu Boden fiel.
    Es war ein kleines Stück Karton von rechteckiger Form, eine Ecke war abgerissen. Stirnrunzelnd hob Cyn es auf und drehte es um. Als sie die Aufschrift las, holte sie scharf Luft.
    Es war eine Eintrittskarte.
    Für das Caligorium.

7
    EINKÄUFE
    »Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?«
    Erst Lucys energische Frage riss Cyn aus ihren Gedanken. Sie blickte in das runde Gesicht der Freundin, das sie herausfordernd anschaute – und konnte nicht anders, als den Kopf zu schütteln.
    »Verzeih«, sagte sie leise. »Ich war in Gedanken.«
    »Na ja.« Die Strenge verschwand sofort wieder aus Lucys Zügen. »Das kann ich dir ja auch nicht verdenken nach allem, was in diesen Tagen geschieht. Ich wollte ja auch nur wissen, ob du Rosinen im Pudding magst oder nicht.«
    »Rosinen?« Cyn überlegte kurz und nickte dann – obwohl es ihr eigentlich gleichgültig war. Sie wollte Lucy nicht verletzen, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die gedrückte Stimmung im Theater zu heben, indem sie einen ihrer berühmten Puddings kochte.
    Nachdem bis zum frühen Nachmittag niemand in der Holywell Lane aufgetaucht war – der Schock hatte wahrscheinlich bei allen Beteiligten zu tief gesessen –, war schließlich Lucy erschienen, mit Albert und den anderen im Schlepp, und hatte angekündigt, für alle Pudding kochen zu wollen, ganz wie in alten Zeiten. Cyn war froh darüber, nicht nur der Gesellschaft wegen. Sondern auch, weil die Freunde ein wenig Normalität zurückbrachten, wo alles auseinanderzufallen schien.
    Um die Zutaten für den Pudding zu besorgen, waren Lucy, Albert und Cyn einkaufen gegangen. Da sie kaum noch Geld hatten, würde es keines jener kugelrunden, mit Fleisch und duftenden Gewürzen gefüllten Wunderwerke werden, die Lucy früher oft zubereitet hatte; diesmal gab es süßen Brotpudding, den man mit etwas Zucker und Rosinen verfeinern würde. Allerdings waren die Zeiten, in denen man Cyn mit ein paar mehr Rosinen auf dem Teller trösten konnte, unwiderruflich vorbei.
    Gedankenverloren schaute sie zu, wie Lucy den Beutel entgegennahm, den der Händler ihr reichte, und ihn bezahlte. Sie waren in der Crispin Street, die an den Markt von Spitalfields grenzte. Mehl und Zucker hatten sie bereits erstanden, der getreue Albert trug alles in einem großen Korb hinter ihnen her.
    »Darf ich dich etwas fragen, Lucy?«, erkundigte sich Cyn, als sie weitergingen.
    »Natürlich, Kind.« Lucy blieb stehen, um die Eier zu prüfen, die vor dem nächsten Laden angeboten wurden. Die Ware schien sie jedoch nicht zu überzeugen, denn sie verzog missbilligend das Gesicht.
    »Ist … ist dir an meinem Vater etwas aufgefallen?«, fragte Cyn zögernd. Es kam ihr wie Verrat vor, hinter seinem Rücken über ihn zu reden, aber sie hielt es einfach nicht mehr länger aus.
    »Was meinst du?«
    »Nun ja, ich … ich habe das Gefühl, dass er sich verändert hat.« Cyn schluckte und fühlte sich schuldig. Nun war es heraus. Sie hatte ausgesprochen, worüber sie sich unablässig den Kopf zerbrach, seit der alte Horace zurückgekehrt war.
    »Verändert?« Lucy schaute sie fragend an. »Inwiefern?«
    »Hast du es nicht bemerkt vorhin? Er hat sich kaum an unserem Gespräch beteiligt. Überhaupt sagt er kaum noch etwas. Alles scheint ihm gleichgültig geworden zu sein.«
    »Gleichgültig? Deinem Vater?« Lucys ohnehin schon rundes Gesicht wurde noch ein wenig runder, als sie laut auflachte. »Wo denkst du hin, Kind? Ich kenne deinen Vater schon sehr lange, sogar länger als du. Und wenn Horace Pence eines ganz sicher nicht ist, dann ist es gleichgültig.«
    »Das weiß ich«, versicherte Cyn und fühlte sich gleich noch ein wenig schlechter. »Ich

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