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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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augenblicklich los. Schützend riss er die Hände über den Kopf, während sie ihn packten und vom Podest zerrten.
    »Weg von mir! Lasst mich in Ruhe, ihr Schmeißfliegen!«, ereiferte er sich, aber die Constables dachten gar nicht daran, ihm diesen Gefallen zu tun.
    »Was fällt dir ein, rechtschaffene Bürger anzugreifen, hä?«, herrschte ihn einer an.
    »Rechtschaffen?«, lallte O’Riley und lachte gequält. »Ihr Idioten habt ja keine Ahnung! Dieser Kerl arbeitet für ihn! Für Caligore!«
    »Maul halten«, beschied ihm einer der Polizisten derb.
    »Aber ich sage die Wahrheit!«
    »Die heb dir lieber für den Richter auf – du bist wegen Ruhestörung und tätlichen Angriffs verhaftet!«
    »Nein, nicht!«, widersprach der Ire, der jetzt am Boden lag und sich wand wie ein auf dem Rücken liegender Käfer, während ihm die Handschellen angelegt wurden. »Ihr könnt mich nicht verhaften! Ich muss die Leute warnen, hört ihr?«
    »Wovor willst du sie warnen? Vor Trunkenbolden wie dir?« Die Constables lachten rau, während sie ihn wieder auf die Beine zerrten.
    Die fiebrigen Augen des Hünen blickten gehetzt umher und fanden Cyn, der dadurch bewusst wurde, dass sie noch immer dastand und auf das bizarre Schauspiel starrte. »Du!«, rief er und fixierte sie mit glasigen Augen. »Du glaubst mir doch, Kindchen, oder nicht?«
    »Lass das Mädchen in Ruhe, du Säufer«, beschied ihm einer der Polizisten hart. »Wir werden dich jetzt in eine Zelle stecken, da kannst du deinen Rausch ausschlafen!«
    »Nein, nicht!« Der Hüne wehrte sich, so gut er es noch vermochte, während sein Blick weiter auf Cyn geheftet blieb. »Du musst mir glauben, Mädchen! Du musst dem armen Pete O’Riley glauben! Du musst die Menschen warnen! Du musst alle warnen!«
    »Schon gut, schon gut.« Die Constables lachten, während sie ihn davonschleppten.
    »Du musst alle warnen!«, brüllte der Ire noch einmal heiser, während seine Gestalt und die seiner Häscher bereits im Nebel verschwanden. »Es sind ihre Schatten, hörst du? Caligore raubt ihre Schatten!«
    Unheimlich hallten seine Worte von den umliegenden Hauswänden wider, gefolgt vom derben Gelächter der Gesetzeshüter.
    Cyn stand noch immer unbewegt, innerlich jedoch bebte sie vor Aufregung.
    Ihre Schatten …
    Natürlich war ihr klar, dass sie nichts auf das Gerede eines Betrunkenen hätte geben dürfen, dass es ihr gleichgültig hätte sein müssen, was ein hergelaufener Unruhestifter von sich gab. Die Sache war nur: Was der Ire von seinem Bruder erzählt hatte – dass er sich wie ein Schlafwandler verhielt, apathisch und ohne Teilnahme, dass er auf ihn wirkte wie ein leeres Gefäß –, traf haargenau auf ihren Vater zu. Und auch er war zuvor im Caligorium gewesen.
    Sollte etwa ein Zusammenhang …?
    »Hier, Mädchen. Nimm das.«
    Cyn fuhr herum und sog scharf nach Luft, als eine hagere Gestalt mit einem hohen Zylinder vor ihr stand.
    Es war der Ausrufer, der für das Caligorium geworben hatte. Die Wunde an seiner Stirn, die wahrscheinlich weniger schlimm war, als er den Polizisten weisgemacht hatte, hatte bereits aufgehört zu bluten. Ein verschlagenes Grinsen zog das schwarzbärtige Gesicht in die Breite. Cyn sah, dass er ihr etwas hinhielt.
    Es war ein Flugblatt.
    Das Wort CALIGORIUM sprang ihr mit großen, in einem Bogen angeordneten Lettern entgegen.
    »Was soll ich damit?«, fragte sie.
    »Gegen Vorzeigen dieses Flugblatts gibt es Rabatt auf den Eintrittspreis«, erklärte der Zylindermann. »Du willst das Caligorium doch sicher besuchen, oder nicht? Nun hast du die Gelegenheit dazu.«
    »Und was erwartet mich dort?«, wollte Cyn wissen.
    »Wunder über Wunder«, entgegnete er lächelnd und beugte sich vor. »Du willst doch nicht etwa glauben, was dieser irische Hund im Suff von sich gegeben hat?«
    Es klang weniger wie eine Frage als vielmehr wie eine Feststellung, und ein Gefühl sagte Cyn, dass es besser war, das Flugblatt anzunehmen. Rasch faltete sie es zusammen und ließ es unter ihrer Jacke verschwinden.
    Als sie wieder aufblickte, war der Mann verschwunden.
    »Hallo?«, fragte Cyn in den sie umgebenden Nebel, obwohl sie kein Verlangen danach verspürte, ihre Unterhaltung mit dem Ausrufer fortzusetzen. Dafür hatte sie plötzlich den Eindruck, beobachtet zu werden.
    Es war wie vor ein paar Tagen, als sie mit Lucy und Albert beim Einkaufen gewesen war, mit dem Unterschied, dass sie diesmal nicht überprüfen konnte, ob ihr Eindruck sie trog oder nicht. Zu allen Seiten

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