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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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einer vertrauten Geste in die Hüften gestemmt hatte und sie herausfordernd zu taxieren schien. Cyn kannte diese Umrisse nur zu gut, und eigentlich hätte sie erleichtert aufatmen sollen.
    Aber sie tat es nicht. Denn es war nicht wirklich ihr Vater, den sie sah – sondern nur ein Schatten.
    Unwillkürlich blickte Cyn in die Gegenrichtung, um zu sehen, woher der Schattenriss stammte, aber da war niemand, nur die Laterne, die stumm von der Decke hing und deren leuchtende Augen der Ursprung auch dieses Schemens zu sein schienen.
    »Was … Wie …«, stieß Cyn verständnislos hervor und wich zurück, als ihr Verstand keine Antwort fand.
    »Ruhig, Kind«, erklang es erneut – dass es tatsächlich die Stimme ihres Vaters war, bestürzte Cyn nur noch mehr. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen starrte sie auf die dunkle Gestalt, die sich vor ihr an der aus Backsteinen gemauerten Wand abbildete und ihr so fremd und vertraut zugleich erschien.
    »Vater?«, fragte sie flüsternd.
    »Ganz recht.« Der Schemen nickte.
    »Aber …« Erneut warf sie einen nervösen Blick über die Schulter. Von ihrem Vater keine Spur. Nur die Laterne war zu sehen. »Wo bist du? Ich meine …«
    »Ich bin hier, mein Kind. Hier vor dir.«
    »Nein.« Cyn schüttelte störrisch den Kopf. »Sie sind nicht mein Vater. Ich weiß nicht, was Sie sind, aber mein Vater ganz bestimmt nicht.«
    »Ich bin es«, versicherte der Schatten ruhig und mit genau jener Stimme, die sie von Kindesbeinen an kannte, »nicht mehr und nicht weniger als der andere.«
    »Der … der andere?« Ein kalter Schauer durchrieselte Cyn, als ihr klar wurde, dass der Schemen von Horace Pence sprach. Jenem Mann, den sie als ihren Vater kannte und liebte und der zu Hause in der Holywell Lane im Fieber lag.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte sie mit leiser, fast versagender Stimme. Ihr Verstand hatte kapituliert. Panik schnürte ihr die Kehle zu, Tränen hilflosen Entsetzens stiegen ihr in die Augen. »Was haben Sie meinem Vater angetan?«
    »Nichts«, war die knappe und dennoch wenig beruhigende Antwort. »Ich sage dir doch, dass ich er bin – und er ist ich, wenn du so willst. Es ist also alles in bester Ordnung. Um dich allerdings mache ich mir große Sorgen, Tochter.«
    »Um … um mich?«
    »Du hättest nicht herkommen sollen. Das war ein Fehler.«
    Cyn kannte die Stimme ihres Vaters gut genug, um den bedrohlichen Unterton zu erkennen, der sich hineingemischt hatte. Sie wich noch ein wenig weiter zurück, worauf der Schemen Anstalten machte, ihr zu folgen. Zwar verließ er die Wand nicht, auf die er geheftet war, jedoch wurde er größer! Lautlos breitete sich seine Silhouette über das Gemäuer aus und hatte plötzlich ganz und gar nichts Vertrautes mehr an sich.
    »Warum musstest du das tun? Warum musstest du unbedingt hierherkommen? Musst du deiner Mutter in allem nacheifern, selbst in ihrer unseligen Neugier?«
    »Ich … ich verstehe nicht!« Ein Stapel sandgefüllter Säcke, die als Gegengewicht für die Bühnenprospekte dienten, brachte Cyns Rückzug jäh zum Stillstand. »Du selbst hast mir doch aufgetragen, nach dem Puck zu suchen!«
    »Und du musstest natürlich unbedingt auf das Geschwätz eines armen alten Narren hören!«, versetzte der Schatten missmutig. »War es wirklich das Bedürfnis, mir zu helfen, das dich hierhergetrieben hat? Oder war es vielmehr dieselbe Unvernunft, die auch schon meiner geliebte Fay das Leben gekostet hat?
    »Ich … weiß nicht«, stammelte Cyn, die nicht wusste, was sie erwidern sollte. »Schon möglich, ich …«
    »Ich bin dir gefolgt«, fuhr der Schatten fort, »den ganzen Weg durch Nacht und Nebel. Und ich habe alles unternommen, um dich von deinem Ziel abzubringen.«
    »Alles unternommen? Was bedeutet das?«
    »Wer glaubst du, hat diesem einäugigen Narren eingeredet, dass er sich auf dich stürzen soll? Wer, glaubst du, hat dich unterwegs verfolgt? Willst du mir erzählen, du hättest nicht das Gefühl verspürt, beobachtet zu werden?«
    »D… doch«, gab Cyn widerstrebend zu. »Aber wie kann das sein? So etwas ist doch nicht möglich!«
    Der Schatten lachte auf.
    »Bis vor wenigen Tagen habe ich ebenso gedacht. Aber dann musste ich erkennen, dass vieles möglich ist, mehr als ich oder du oder irgendjemand sonst geglaubt hätte. Es tut mir leid, Kind«, fügte er hinzu, während seine monströse dunkle Gestalt wieder an der Wand herabsank und kleiner wurde. »Ich hätte dir das gerne erspart. Aber nun, so fürchte ich, ist es

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