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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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hätte gerne widersprochen, aber sie ahnte, dass der Junge recht hatte. Jener Horace Pence, den sie in der Holywell Lane zurückgelassen hatte, mochte noch mit allen Mitteln dagegen angekämpft haben; der Horace Pence jedoch, dessen Schatten sie ihm Theater begegnet war, hatte nicht eine Spur von Reue oder Zweifel erkennen lassen.
    »Ich weiß, was du jetzt denkst«, versicherte Milo. »Du fragst dich, was geschieht, wenn du dich weigerst.«
    »Kannst du alle meine Gedanken lesen?«
    »Nicht alle«, gab der Junge zu. »Aber ich kann fühlen, was du empfindest. Deine Unsicherheit, deine Furcht.«
    »Und? Wie lautet die Antwort auf meine Frage?«
    »Du kannst dich natürlich wehren und es dir damit unnötig schwer machen«, räumte der Schatten ein, »gegen die laterna magica bist du jedoch machtlos.«
    »Die laterna magica ? Du sprichst von diesem Gebilde, das ich oben gesehen habe?«
    Wieder ließ der Junge sein hochmütiges Gelächter vernehmen. »Wie unwissend du bist!«
    »Dann erzähle mir mehr darüber.«
    »Sieh an. Bist du nun also doch neugierig?«
    »Seltsam, dass du fragst. Ich dachte, du weißt, was ich denke?«, konterte Cyn und triumphierte innerlich. Unter all dem Krempel, der in der Kammer umherlag, hatte sie etwas erspäht, das ihr womöglich von großem Nutzen sein konnte. Etwas, das unter dem Hirschgeweih auf einer der Kisten lag – ein blanker Säbel. Und offenbar war es ihr gelungen, ihre Gedanken so zu verschleiern, dass der Schatten sie nicht durchschaute.
    »Erzähle mir mehr darüber«, verlangte sie, während sie sich langsam in Richtung der Kiste bewegte. »Was hat es mit dieser Laterne auf sich?«
    »Du erwartest, dass ich dir das verrate?«
    »Wenn ich ohnehin eine von euch werde, kannst du es mir doch ruhig erzählen, oder nicht?«
    Der Junge schien einen Augenblick nachzudenken. Unvermittelt glitt sein Schatten aus der Nische, in die er sich zurückgezogen hatte, und huschte über einige der Kisten, ehe er auf dem Kopf des Tigerfells eine sitzende Haltung einnahm. »Wie du möchtest. Weißt du, wer Marco Polo gewesen ist?«
    »Natürlich weiß ich das«, versicherte Cyn, die den Säbel im Augenwinkel behielt. »Ein Kaufmannssohn aus Venedig, der im dreizehnten Jahrhundert eine abenteuerliche Reise ins ferne China unternommen hat.«
    »Das ist richtig. Von seiner Reise kehrte Polo reich beschenkt zurück – nicht nur mit Jade, Seide und anderen Schätzen, sondern auch mit vielen wundersamen und geheimnisvollen Dingen. Kaum jemand weiß, dass sich unter ihnen auch eine Laterne befand – eine Laterne in der Form einer Kugel, deren Ursprünge in dunkler Vergangenheit liegen, und der magische Fähigkeiten nachgesagt wurden. Schon kurz nach Polos Rückkehr ging die Laterne jedoch verloren. Es gibt Quellen, die behaupten, sie wäre gestohlen worden. Andere besagen, dass sie ihres alten Besitzers einfach überdrüssig gewesen wäre und sich auf die Suche nach einem neuen gemacht hätte.«
    »Ich verstehe«, sagte Cyn, während sie an alles Mögliche zu denken versuchte, nur nicht an die Waffe, die nur noch wenige Armlängen von ihr entfernt lag.
    »Über viele Jahrhunderte blieb die Laterne verborgen, bis sie erneut entdeckt wurde – von einem Mann, der auf der Suche nach Erkenntnis war. Im Florenz des Jahres 1587 gelangte ein Alchemist in ihren Besitz. Wie alle Angehörigen seiner Zunft suchte auch er nach einer Möglichkeit, wertloses Eisen in kostbares Gold zu verwandeln und glaubte, dass die geheimnisvolle Kugel ihm dabei helfen würde.«
    Säbel!
    Cyn konnte nicht verhindern, dass ihr das Wort plötzlich durch den Kopf schoss, hell und leuchtend wie Signalfeuer. Ihr erschrockener Blick fiel auf den Schatten, der jedoch keine Regung zeigte. Offenbar war Milo so in seine Erzählung vertieft, dass er den verräterischen Gedanken nicht bemerkt hatte, ebenso wenig wie Cyns Erschrecken. Rasch versuchte sie, sich zu beruhigen und wieder an etwas anderes zu denken.
    »Wie sich zeigte, vermochte auch das Licht der Laterne kein Gold zu erzeugen«, fuhr Milo fort, »jedoch rührte der Alchemist damit unwissentlich an etwas, das über Jahrtausende geruht hatte. Die Magie der Lampe erwachte zum Leben – und mit ihr die Grimmlinge.«
    »Die Grimmlinge?« Da war wieder dieses Wort. Für einen kurzen Moment vergaß Cyn den Säbel.
    »Geister, die im Inneren der Laterne leben«, erklärte Milo achselzuckend, »Schattenwesen aus einer anderen Zeit und Welt. Sie waren es, die dem Alchemisten das

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