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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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in die Kammer strömte, verstärkte diesen Eindruck noch.
    Ihr Pulsschlag beschleunigte sich unwillkürlich, und das Herz schlug ihr bis zum Hals, als der Hagere auf sie zutrat. Aus seinen Glutaugen starrte er auf sie herab – und verfiel zu ihrer Verblüffung in leises Gelächter, das allerdings weder freundlich noch wohlwollend klang.
    »Ein lebender Toter?«, fragte er mit einer Stimme, die kalt war wie Eis. »Ein hübsches Kompliment.«
    »Sie … Sie können meine Gedanken lesen?«
    »In der Tat.« Der Hagere rieb sich das Kinn, während er sie weiter durchdringend beobachtete.
    »Wer sind Sie?«, wollte Cyn wissen, obschon sie sich die Antwort bereits denken konnte.
    »Das wissen Sie doch längst«, beschied ihr der Mann prompt und lachte wieder. Mit einem dürren Knochenfinger deutete er auf ihren Kopf. »Irgendwo dadrin ist die Antwort.«
    »Umberto Caligore«, sprach Cyn ihren Verdacht aus.
    » Professor Caligore für Sie«, korrigierte er. »Was Milo nur an Ihnen findet, Signorina Pence. Sie sind weder besonders klug, noch haben Sie rechte Umgangsformen.«
    »Offen gestanden, Sir«, konterte Cyn und zerrte demonstrativ an den Fesseln, mit denen sie an die Armlehnen des Stuhles gefesselt war, »sind Ihre Umgangsformen auch verbesserungsbedürftig.«
    »Meine Umgangsformen?« Er lachte wieder. »Glauben Sie mir, das ist das Letzte, worüber Sie sich Sorgen machen müssen. Sie sind in Schwierigkeiten, Signorina. In großen Schwierigkeiten sogar.«
    »Wo ist mein Vater?«, fragte Cyn. »Zu Hause war er nicht, was haben Sie mit ihm gemacht?«
    »Es geht ihm gut«, versicherte der Professor. »Haben Sie nur ein wenig Geduld, Sie werden ihn bald wiedersehen.«
    »Ich will ihn jetzt gleich sehen«, beharrte Cyn, indem sie all ihren Mut zusammennahm. »So war es nicht abgemacht, ich habe eine Vereinbarung getroffen!«
    »Ach ja, natürlich, die Vereinbarung.« Caligore nickte in schlecht geheucheltem Verständnis.
    »Milo«, rief Cyn in ihrer Verzweiflung. »Bitte sag ihm, was wir vereinbart haben. Erzähl ihm von unserem Handel.«
    Ihre Worte verhallten, scheinbar ungehört.
    Milo antwortete nicht, was Caligore dazu brachte, mitleidig den Kopf zu schütteln. »Du dummes unwissendes Gör. Was bringt dich auf den Gedanken, dass ein halbwüchsiger Junge etwas zu entscheiden hätte? Dass er darüber verfügen könnte, wer das Reich der Schatten verlässt und wer dort verbleibt?«
    »Nun, ich …«, wollte Cyn erklären, doch sie kam nicht dazu.
    »Ich bin der Herr der Schatten, ich ganz allein!«, brüllte Caligore so laut, dass Cyn zusammenfuhr. Zu ihrem Entsetzen hörte sie seine Stimme jetzt auch in ihrem Kopf, wo sie dutzendfach widerzuhallen schien. »Hast du im Ernst geglaubt, dass du mir trotzen, dass du mit deinen kindischen Spielereien alles durcheinanderbringen könntest?«
    »Was … was soll das heißen?«, fragte Cyn verunsichert.
    »Milo«, wandte sich der Professor an den Jungen, »vielleicht willst du dieser Närrin ja erklären, was das heißt. Gewissermaßen bist du ihr das schuldig.«
    Beide lauschten, aber erneut kam keine Antwort.
    »Oh«, machte Caligore in falschem Bedauern. »Wie es aussieht, will er nicht sprechen.«
    »Natürlich nicht«, knurrte Cyn. »Er ist eingeschüchtert. Sie machen ihm Angst.«
    »Möglicherweise.« Der Professor nickte großmütig. »Vielleicht liegt es aber auch daran, dass er versäumt hat, dir zu sagen, dass er mein leiblicher Sohn ist!«
    »Was?«
    Cyn glaubte, nicht recht zu hören. Sie wandte sich um, sah zu den Kistenstapeln, wo sie Milo vermutete, jedoch nach wie vor nur einen konturlosen, verschwommenen Flecken ausmachen konnte.
    »Ist das wahr?«, erkundigte sie sich scharf.
    »Ich … ich wollte es dir sagen, die ganze Zeit«, kam es zurück, kleinlaut und zaghaft.
    »Es ist also wahr.« Cyn fühlte unendliche Bitterkeit. Tränen traten ihr in die Augen.
    »Ja, aber es war nicht … Ich wollte nicht …«
    »Du brauchst dich vor einer Sterblichen nicht zu rechtfertigen, Sohn«, beschied Caligore ihm. »Sie ist ein Feind und wollte uns schaden. Du hast getan, was nötig war.«
    »Was nötig war?« Cyns Entsetzen wurde immer größer. »Soll das heißen, dass du mich verraten hast? Dass alles nur gespielt war? Deine Freude? Deine Begeisterung?«
    »Einfältiges Gör, was hast du denn geglaubt?«, fragte der Professor dagegen. »Hast du gedacht, dass Umberto Caligores Sohn sich von deinen Kindereien beeindrucken ließe? Dass er auf deine Spiele hereinfallen

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