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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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was sie fühlen sollte. Alles, was sie wollte, war die vertraute Nähe von Freunden, beruhigende Worte, die Versicherung, dass alles gut werden würde.
    Mehrmals klopfte sie an die Tür.
    Niemand öffnete.
    Cyn trat einen Schritt zurück und blickte an dem alten Backsteingebäude empor, vergewisserte sich, dass im ersten Stock Licht brannte. Abermals schlug sie gegen die Tür, diesmal mit der Faust. Dumpf dröhnte das alte Holz unter ihren Hieben, doch wieder erfolgte keine Reaktion.
    »Bitte«, rief Cyn halblaut, »öffnet die Tür! Ich bin es!«
    Endlich waren von drinnen Schritte zu vernehmen. Der Schwere nach zu urteilen, war es einer der Männer. Tatsächlich stand Albert auf der Schwelle, als die Tür endlich aufschwang.
    »Ja?«
    »Oh Albert! Ich bin so froh, dich zu sehen!«
    Cyn stürmte hinein und umarmte den Hausmeister flüchtig, dann war sie auch schon an ihm vorbei und eilte die Stufen hinauf. Lucy war oben, ebenso wie Nancy und Hank, und Cyn war unsagbar erleichtert, sie alle wiederzusehen. In diesem Augenblick hatte sie das Gefühl, dass all das, was sie den Tag über erlebt hatte, tatsächlich nicht mehr als ein dunkler Albtraum gewesen war, der nun endlich hinter ihr lag.
    »Lucy, liebe Freundin! Ich hoffe, ihr habt euch meinetwegen nicht allzu viele Sorgen gemacht!«
    Sie fiel auch Lucy um den Hals, die die Umarmung nicht erwiderte, dann eilte Cyn weiter zur Kammer ihres Vaters. Aufgeregt stürzte sie hinein – doch das Bett war leer!
    »Vater?«
    Sie trat einen Schritt weiter in das Zimmer und schaute sich im Halbdunkel um, doch ihr Vater saß auch nicht hinter dem Schreibtisch. Der alte Horace war verschwunden.
    Cyns Gesicht wurde heiß, das Blut sackte ihr in die Beine. »Wo ist er?«, erkundigte sie sich bei ihren Freunden. »Was ist mit ihm geschehen? Ist er …?«
    »Wer?«, fragte Lucy.
    »Wer? Mein Vater natürlich!«, platzte Cyn heraus. »Was ist mit ihm passiert? Wieso ist er nicht mehr hier?«
    Lucy schaute Cyn fragend an. Gleichgültigkeit stand im rundlichen Gesicht der Freundin.
    »Ich weiß es nicht«, gab sie offen zu – und selbst das schien ihr egal zu sein.
    Einen Augenblick lang wollte Cyn schreiend aufbegehren, wollte Lucy für ihre Unachtsamkeit schelten. Dann wurde ihr jäh klar, dass sie diese Art von Gleichgültigkeit nur zu gut kannte, denn sie hatte sie schon einmal erlebt.
    Bei ihrem Vater.
    »Nein«, flüsterte sie betroffen und trat auf die Freundin zu, fasste sie an den Schultern. »Lucy?«
    Es dauerte lange, bis Lucy zu registrieren schien, dass Cyn unmittelbar vor ihr stand. »Ja?«, fragte sie dann und sah sie an. Der Blick ihrer Augen war kalt und leer.
    »Nein«, sagte Cyn noch einmal und schüttelte den Kopf, während nacktes Grauen sie packte. »Nicht auch noch du …«
    »Was meinst du?« Ein Lächeln erschien auf Lucys Zügen, das aufgesetzt und falsch wirkte, fast wie das einer Puppe. »Es geht mir gut, Kind, glaub mir.«
    Cyn trat einen Schritt zurück und schaute an ihr herab – nur um ihren grässlichen Verdacht bestätigt zu bekommen: Obschon die Freundin unter der Gaslampe stand, die den kleinen Gang erhellte, gab es keinen Schatten, der sich zu ihren Füßen sammelte. Ein erschrockener Blick zu Nancy, dann zu Hank – auch ihre Schatten waren verschwunden und erinnerten Cyn daran, dass das, was sie durchlebt hatte, sehr viel mehr gewesen war als nur ein Albtraum.
    »Nein! Nein! Nein …«
    Von Entsetzen gepackt wich sie zurück bis zur Treppe, als von unten ein Knarren heraufdrang. Albert stieg die Stufen empor, und im Gegenlicht der Lampe warf auch seine hagere Gestalt keinen Schatten. Deshalb also, dachte Cyn bitter, hatte er auf ihre Rückkehr nicht reagiert. Deshalb hatte er ihre Umarmung nicht erwidert, genau wie Lucy. Ihr Schicksal war den Freunden gleichgültig geworden, ebenso wie das ihres Vaters. Die Schatten waren schneller gewesen.
    »Wie … wie konnte das geschehen?«, fragte sie tonlos, von einem zum anderen blickend. »Wie ist das passiert?«
    »Was meinst du?«, fragte Lucy zurück. Aus ihren Augen sprach pures Unverständnis.
    »Eure Schatten … Sie sind verschwunden!«
    Es dauerte einen Moment, bis Lucy zu begreifen schien. In unendlicher Langsamkeit sah sie an sich herab, die anderen folgten ihrem Beispiel. In ihren Augen jedoch flackerte keine Erkenntnis. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Kind«, sagte Lucy. Der monotone, unbeteiligte Klang ihrer Stimme jagte Cyn einen kalten Schauer über den Rücken.
    Genau wie bei ihrem

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