Spiel Der Sehnsucht
schnell in Leidenschaft würde umwandeln können. Das war das einzige, dessen er sich in bezug auf Lucy sicher sein konnte: daß ihre Leidenschaft nahezu so groß war wie sein verzehrendes Verlangen nach ihr.
Er blickte auf ihren gekrümmten Körper unter der dünnen Decke und fühlte, daß auch Lucy ihn ansah. Es wäre eine Herausforderung, sie jetzt zu verführen. Er wußte, daß es ihm gelingen würde. Sie würde protestieren, sich vielleicht sogar wehren, doch am Ende würde sie kapitulieren und ihm dankbar sein.
Doch was, wenn sie ihm wieder ihre Liebe gestände?
Schon der Gedanke daran trieb ihm den Angstschweiß auf die Stirn. Er wollte ihre Liebe nicht. Er wollte niemandes Liebe.
Außerdem, dessen war sich Ivan gewiß, gab es so etwas wie Liebe überhaupt nicht. Bestenfalls war Liebe eine Mischung aus Lust und Zuneigung. Schlimmsten-falls war sie nur eine Methode der Manipulation, und er war nicht so töricht, darauf hereinzufallen. Er vermutete, daß es einige Frauen gab, die ihre Kinder liebten, und er hoffte sehr, daß Lucy das Kind, das sie unter dem Herzen trug, lieben würde. Keinesfalls wollte er, daß sein Kind unter der Obhut von Frauen wie seiner Mutter und Großmutter aufwüchse.
Doch Liebe zwischen Mann und Frau? Nein. Er mochte Lucy, mehr nicht. Und er begehrte sie. Aber er liebte sie nicht, genauso wenig, wie sie ihn liebte.
Trotzdem, er mußte jetzt etwas tun, entweder bleiben oder gehen. Doch er konnte sich nicht entscheiden. Als Lucy sich jedoch unruhig im Bett bewegte, nahm seine Angst ihm die Entscheidung ab. Er riß die Tür auf, sprang hinaus und warf sie in der Eile heftiger hinter sich zu, als er es beabsichtigt hatte.
Das verstärkte seine Verzweiflung noch, schließlich wußte er ja, wie Frauen waren. Obwohl Lucy nicht zur weinerlichen Sorte gehörte, hatte er Tränen in ihren Augen gesehen. Sie hatte sie zurückgehalten, solange er im Zimmer war, doch jetzt, nachdem er die Türe so laut zugeknallt hatte, würde sie gewiß anfangen zu weinen.
Er zwang sich zu warten und zu lauschen, ob sich ein Schluchzen vernehmen ließe. Als er nichts hörte, ging er, immer noch schwitzend und genauso erschrocken wie gestern, als es Lucy so schlecht gegangen war. Er wurde nicht fertig damit. Weder mit ihrer Übelkeit, noch mit ihren Tränen, noch mit der Stille. Er wurde mit Lucy nicht fertig, und das gab seiner Angst neue Nahrung.
Keine andere Frau hatte diese Wirkung auf ihn, und keine, so schwor er sich, sollte diese Wirkung je haben.
Aber Lucy hatte sie.
Und nun, da er mit ihr verheiratet war, da sie ein Kind von ihm erwartete, wußte er einfach nicht, wie er mit ihr umgehen sollte. Er konnte nicht ständig davonlaufen.
Aber was konnte er sonst tun?
Bei dem Krach, mit dem die Tür ins Schloß gefallen war, drückte Lucy den Kopf in ihr Kissen und brach in Tränen aus. Ein schweres, grausames Schluchzen erschütterte ihren Körper. Aber sie blieb stumm. Sie weinte lautlos. Sie vergrub sich zwischen Laken und Decke und vertraute ihr ganzes Elend dem geräuschdämpfen-den, gleichgültigen Kopfkissen an.
Daß den Bettlaken noch der Geruch der letzten Liebes-nacht anhaftete, machte alles noch schlimmer. Wie konnte Ivan sie lieben - nein, Liebe mit ihr machen - und sie gleichzeitig hassen?
Ihr Verstand versuchte ihr einzureden, daß Ivan wahrscheinlich alle Frauen haßte - oder fürchtete. Das war kein Wunder, wenn man seine Kindheitserfahrungen mit Frauen bedachte.
Doch es war nicht ihr Verstand, den Ivan zu kleinen Fetzen zerrissen hatte; es war ihr Herz. Während Lucy ihre ganze Qual und Verlassenheit in das kalte, einsame Bett weinte, krümmte sie ihren Körper schützend um das Baby.
»Du sollst immer geliebt werden«, versprach sie zwischen ihren Schluchzern, »immer.«
Und auch du, Ivan, obwohl du es vielleicht nie glauben wirst. Auch du sollst immer von mir geliebt werden, schwor sie.
22
Die Fahrt nach Somerset, die vom Morgen bis zum Abend dauerte, erschien Lucy endlos. Während der ganzen Fahrt war ihr übel, und sie mußten mehrmals anhalten. Früher war sie nie reisekrank gewesen. Ihre Schwangerschaft jedoch schien sie völlig verändert zu haben.
Oder war es ihre unglückliche Ehe mit Ivan, die sie so weinerlich und krank machte?
Ivan begleitete sie, saß aber nicht bei ihr in der Kutsche, sondern ritt einen lebhaften Wallach, den er kürzlich gekauft hatte. Er überließ Lucy der Gesellschaft der Zofe, auf deren Begleitung er bestanden hatte.
Lucy redete sich ein,
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