Spiel Der Sehnsucht
Übelkeit. Bald wird sie vorbei sein.«
Ivan blieb an der Tür stehen und blickte durch den dämmrigen Raum zu Lucy hinüber. »Du willst dieses Kind, nicht wahr?«
»Aber selbstverständlich.«
»Warum?«
»Warum?« Lucy beobachtete sein Gesicht und nahm trotz der Schatten den wachsamen Ausdruck in seinen Augen wahr. Sie wußte, daß es jetzt darauf ankam, das Richtige zu sagen. »Ich will dieses Kind, weil ich Kinder liebe. Wie die meisten Frauen empfände ich mein Leben als unerfüllt, wenn ich kein Kind heranziehen könnte.
Aber nicht das Kind irgendeines Mannes. Ich will dieses Kind. Ich liebe dieses Kind schon jetzt, weil es dein Kind ist. Unser Kind«, endete sie mit leiser Stimme.
Ivans Gesicht blieb ausdruckslos. Das war entmutigend. Der sarkastische Ton jedoch, in dem er antwortete, war vernichtend. »Vor zwei Monaten wolltest du mich nicht einmal heiraten. Und jetzt soll ich dir glauben, daß du dieses Kind liebst, weil es von mir ist?« Er stieß ein freudloses Lachen aus. »Ich glaube, Lucy, wir werden besser miteinander auskommen, wenn wir in unserer Beziehung zukünftig alle Emotionen aus dem Spiel lassen.«
Lucy war es, als bräche ihr Herz entzwei. Doch sie verbarg ihren Schmerz hinter gespieltem Ärger. Was blieb ihr sonst übrig? »Und wie bitte sollen wir das anfangen?
Heißt das, du wirst mein Bett in Zukunft meiden?«
Ivan grollte: »Willst du damit andeuten, daß du mich nun, da du schwanger bist, nicht mehr in deinem Bett haben möchtest?«
»Nein, natürlich nicht.« Lucy errötete. »Aber wie kann ich meine Gefühle aus dem Spiel lassen, wenn du - wenn wir - wenn wir unsere Ehe vollziehen? Auch du bist dabei nicht gefühllos. Wird das nun anders sein?«
Sie glaubte, Ivan in die Enge getrieben zu haben, denn sie konnte sehen, wie er die Zähne zusammenbiß. Doch dann verengten sich seine Augen. »Ich glaube, du ver-wechselst Leidenschaft mit anderen, langlebigeren Emotionen. Lust ist nicht Liebe, und Begehren ist ein flüchtiges Ding. Wie Hunger. Du solltest es nicht zu hoch bewerten.«
Diese Worte waren wie ein Schlag in Lucys Gesicht, das sie nun am liebsten vor ihm verborgen hätte. Ivan wußte genau, wie sehr seine Worte sie trafen und schmerzten. Er hatte in jener Nacht gehört, wie sie ihm gesagt hatte, sie liebe ihn. Nun benutzte er ihr Geständnis als Waffe, um sie zu quälen.
Und das war ihm ausgezeichnet gelungen.
Lucy sammelte ihren Schmerz und versteckte ihn tief in ihrem Herzen, wo Ivan ihn nicht finden würde. »Ich beuge mich deinem großen Wissen über die Liebe«, sagte sie und ahmte dabei seinen sarkastischen Ton nach. »Was meine Reise nach Somerset angeht, so ist es völlig un-nötig, daß du mich begleitest. Ich bin sicher, daß deine Geschäfte in der Stadt weitaus dringender sind.«
»Es ist keine Mühe. Ich war ein nachlässiger Ehemann, und ich möchte das wieder gutmachen«, antwortete Ivan knapp.
Lucy wandte sich ab. Wie konnte Ivan nach all dem so ruhig, so gleichgültig sein, während ihr eigenes Herz wie aus einer tödlichen Wunde blutete? »Nun, dann gute Nacht«, murmelte sie, während sie wieder ins Bett kletterte. Sie zog die Decke bis an ihr Kinn und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. Sie wollte nicht weinen, solange Ivan im Zimmer war. Bitte, lieber Gott, betete sie im stillen, mach, daß er geht.
Ivan legte die Hand auf die Türklinke und blickte noch einmal zu seiner Frau zurück.
Warum war er zurückgekommen, was hatte er sich dabei gedacht?
Er war zutiefst erschrocken, als es Lucy übel wurde.
Nie hatte er sich so hilflos gefühlt wie in diesen wenigen Augenblicken, als er ihr nicht helfen konnte. Als er jedoch den Grund für ihre Übelkeit erfahren hatte, hatte sein Schreck sich zu Wut gewandelt. Er hatte sich gefühlt, als habe Lucy ihn betrogen.
Es hatte einen ganzen Tag und eine halbe Nacht sowie den größten Teil des Inhalts einer Whiskyflasche bedurft, bis er eingesehen hatte, daß ihre Schwangerschaft mehr seine als ihre Schuld war. Er hätte sich vorsehen können, wie er es bei anderen Frauen immer getan hatte. Aber aus unerfindlichen Gründen hatte er es nicht getan, und nun trug Lucy ein Kind in sich, das er nie hatte haben wollen.
War er also nur zurückgekommen, um wieder davonzulaufen?
Doch er brauchte nicht zu gehen, sagte er sich. Er könnte die Tür von innen schließen, seine Kleider ablegen und sich zu seiner Frau ins Bett legen. Sie war zwar wütend auf ihn, doch er war überzeugt, daß er ihre Wut
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