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Spiel Der Sehnsucht

Spiel Der Sehnsucht

Titel: Spiel Der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihn so verletzten. Doch sie wollte nicht wie ein Knochen sein, um den sich zwei wütende Hunde stritten.
    »Bitte. Einmal - für mich ... Könntet ihr eure Abneigung nicht einmal beiseite lassen?« Ihre Augen schlössen sich, und Tränen quollen unter ihren Lidern hervor. Sie war am Ende.
    Antonia drückte ihre Hand und ließ sie dann los. »Ich werde euch zwei alleine lassen«, sagte sie mit bebender Stimme. »Wenn Sie mich brauchen, müssen Sie nur läuten.« Lucy beobachtete unter Tränen, wie die alte Frau davonging. Davonhumpelte. Sie stützte sich noch schwerer als sonst auf ihren Stock. Als sie an Ivan vorüberkam, blieb sie stehen.
    »Es tut mir leid«, flüsterte sie ihrem unbarmherzigen Enkelsohn zu. »So leid.« Dann, als keine Antwort von Ivan kam, schlurfte sie aus dem Zimmer.
    Lucy begann zu weinen. Sie konnte nicht anders. Ivan kam neben ihr Bett, aber er brachte es nicht über sich, sie anzufassen. Er schien wie festgefroren in seiner Entschlußlosigkeit.
    »Bist du in Ordnung?« fragte er schließlich.
    Lucy konnte nur den Kopf schütteln.
    »Kann ich etwas für dich tun?«
    Halt mich fest. Liebe mich. Das wollte Lucy sagen. Aber sie sagte es nicht, denn sie fürchtete, daß er sie dann nur in die Arme nehmen würde, weil ihm nichts anderes übrig bliebe. So sehr sie sich nach Ivans Trost sehnte, so schrecklich wäre es zu wissen, daß er sie nur aus Pflicht-bewußtsein umarmte.
    »Lucy?« Ivan trat noch näher an das Bett heran, dann setzte er sich auf den Stuhl, auf dem zuvor seine Groß-
    mutter gesessen war. Er streckte die Hand aus und ergriff Lucys verkrampfte Faust. Lucy weinte noch lauter.
    »Es tut mir leid«, flüsterte Ivan. »Es tut mir leid, Lucy.
    Ich hätte hier bei dir sein sollen.«
    Lucy wischte ihr Gesicht mit dem feuchten Ärmel ihres Nachthemdes ab und versuchte zu Atem zu kommen. »Du konntest es nicht wissen.«
    Ivans Daumen rieb über Lucys Knöchel. Lucy empfand diese Berührung gleichzeitig als tröstlich und beunruhigend. Blinzelnd blickte sie zu Ivan auf.
    So unordentlich hatte sie ihn noch nie gesehen. Seine dunklen Locken waren zerdrückt und zerzaust, als habe er sich verzweifelt die Haare gerauft. Er trug keinen Rock, seine Weste stand offen, und er hatte kein Halstuch umgebunden. Ein schwarzer Bartschatten unterstrich die Müdigkeit und Sorge in seinen Zügen.
    Hatte er sich um ihr Kind gesorgt? Hoffnung glomm für einen kurzen Moment in Lucys Herz auf. Doch das winzige Lichtchen verlosch sofort wieder, als ihr die Wirklichkeit bewußt wurde: Sie war es, um die Ivan sich gesorgt hatte, nur sie. Das Kind hatte er sowieso nie gewollt. Und wenn er auch sie selbst nicht liebte, dachte Lucy, so fühlte er doch etwas für sie und würde ihr nichts Böses wünschen.
    Doch dieses Wissen war kein Trost. Sie wollte ihr Kind gemeinsam mit Ivan betrauern, wollte, daß Ivan das Gefühl ihres Verlustes teilte. Aber sie wußte, daß er das nicht konnte.
    Irgendwie schaffte sie es, etwas zu sagen. »Ich bin müde; ich möchte schlafen.« Mehr brachte sie nicht heraus, daher wandte sie sich ab, schloß die Augen und betete um Schlaf und Vergessen, um irgend etwas, das sie wenigstens für ein paar Stunden aus der traurigen Wirklichkeit ihres Daseins entführen würde.

24
    Bis zur Morgendämmerung blieb Ivan bei Lucy sitzen.
    Lucy lag bewegungslos, ihre Hände waren kalt. Ihr Puls jedoch schlug gleichmäßig. Allerdings atmete sie so flach, daß Ivan sich vorbeugen mußte, um das Heben und Senken ihrer Brust zu erkennen.
    Während seiner langen Nachtwache wurde Ivan von Bildern eines Lebens ohne Lucy heimgesucht, Bilder einsamer Jahre ohne einen Menschen, der sich auch nur einen Deut um ihn scherte. Auf diese Weise hatte er sein ganzes bisheriges Leben zugebracht, aber er wollte nicht, daß es so weiterginge.
    Nicht daß Lucy ihn liebte, gerade jetzt. Das mußte auch nicht sein. Aber sie besaß ein weiches Herz und wollte nur das Beste für ihn, das wußte er. Mit etwas Zeit - und Glück - hoffte er, ihr Vertrauen wieder zu gewinnen.
    Allerdings würde er ihr einige Zugeständnisse machen müssen. Er würde sich nach einem Haus umse-hen, nur für sie beide. Ja, und sobald es ihr gut genug ginge, wollte er mit ihr verreisen, weg von den schlimmen Erinnerungen, die sie an diesen Ort hatten, und weg von der Frau, die der Ursprung allen Übels war.
    Der Raum wurde zusehends heller, und auch Ivans Gespenster verflüchtigten sich. Lucys Wangen zeigten nun eine Spur von Farbe, ihre Hände

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