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Spiel Der Sehnsucht

Spiel Der Sehnsucht

Titel: Spiel Der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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mein dreißigstes Jahr zugehe, neige ich dazu, mich gegen jeden Angreifer zu verteidigen, der mir zu nahe kommt« sagte er in spöttischem Ton.
    »Spotten Sie nur«, sagte Lucy unbeirrt. »Aber Ihre Abneigung gegen die Gräfinwitwe rührt von den dramati-schen Ereignissen in Ihrer Kindheit her.« Sie sah ihn neugierig an. »Sie hatten eine gute Mutter, nicht wahr? Der Gegensatz zwischen dem Leben mit ihr und dem Leben danach ohne sie ist die tiefste Quelle Ihrer Unzufrieden-heit. Wenn Ihre früheste Kindheit freudlos gewesen wäre, wäre Ihr Zorn jetzt wahrscheinlich nicht so groß.«
    Lucy hatte ganz impulsiv gesprochen, ohne lange über ihre Worte nachzudenken. Doch ganz offensichtlich hatte sie wieder ins Schwarze getroffen. Ohne Warnung steuerte Ivan sie durch einen offenen Türbogen in einen ruhigeren Nebenraum. Danach noch eine Wendung, und sie befanden sich plötzlich in einem spärlich erleuchteten Bibliothekszimmer.
    Lucy wurde es unbehaglich zumute. »Ich glaube nicht, daß ich unsere Unterhaltung hier fortsetzen möchte.«
    Ivan zog die Tür mit einem entschlossenen Ruck zu.
    Lucys Unbehagen steigerte sich zu schierer Furcht. Ein verräterischer Schweißtropfen rollte zwischen ihren Brü-
    sten hinab. Doch sie wußte, daß es ein fataler Fehler wäre, Ivan ihre Angst zu zeigen. Mit gespielter Gleichgültigkeit verschränkte sie die Arme über der Brust.
    »Sie wissen sehr wohl, Mylord, daß es meinem Ruf weitaus abträglicher ist als dem Ihren, wenn wir uns hier alleine einschließen. Wenn es Ihr Ziel war, mich in Verlegenheit zu bringen, so dürfen Sie sich freuen, denn das ist Ihnen gelungen. Würden Sie mir nun erlauben, zum Ball zurückzukehren und meine Pflichten Ihrer Kusine gegenüber wahrzunehmen?«
    »Gerade jetzt, wo ich willens wäre, Ihnen den Grund meines Verhaltens zu erklären? Heißt das, daß dieses spezielle Thema Sie plötzlich nicht mehr interessiert, Miss Drysdale?«
    Alles, was Lucy jetzt noch interessieren durfte, war, sich aus dieser gefährlichen Lage zu befreien, in die sie sich gebracht hatte. Doch leider gewann ihre Neugierde die Oberhand. Je mehr sie über diesen Mann in Erfahrung bringen konnte, um so besser konnte sie vielleicht auch diese zwiespältige Anziehungskraft verstehen, die er auf sie ausübte. Sie hatte sich immer für zu intelligent gehalten, als daß ihr so alberne Dinge wie die Schwäche für einen Mann zustoßen konnten. Anderen Frauen konnte so etwas passieren, aber doch nicht Lucy Drysdale! Und doch stand sie nun hier und war ihm verfallen, als sei sie ein törichtes kleines Schulmädchen. Nicht einmal Valerie war so närrisch, sich in ihn zu verlieben.
    »Ich habe mich immer dafür interessiert, wie der menschliche Geist arbeitet«, brachte sie schließlich hervor. »Doch ich beachte auch die gesellschaftlichen Regeln. Nur zu, Lord Westcott, erklären Sie mir den Grund für Ihren Zorn. Aber beeilen Sie sich«, fügte sie hastig hinzu, »damit ich so schnell wie möglich zu meinen Pflichten als Anstandsdame zurückkehren kann.«
    Ivans feingeschwungene Lippen kräuselten sich zu einem ironischen Lächeln. »Na gut, ich werde mich kurz fassen. Doch bevor ich beginne, möchte ich wissen, ob Sie mir gegenüber genauso offen sein werden.«
    Lucy war auf der Hut. »Wie meinen Sie das?«
    »Nun, was geschah in Ihrer Kindheit«, begann er und kam mit langsamen, geschmeidigen Schritten auf sie zu, »das Sie zu einer so aufmerksamen Beobachterin anderer Leute gemacht hat? Ist Ihr eigenes Leben so langweilig und ereignislos, daß Sie gezwungen sind, es durch das Beobachten anderer Menschen aufzufrischen?«
    »Versuchen Sie jetzt, mich zu verärgern, indem Sie mich beschimpfen?«
    »Ich wollte Sie nicht beleidigen, Miss Drysdale. Darf ich Sie Lucy nennen?« Seine leise Stimme ließ sie innerlich von Kopf bis Fuß erschaudern.
    »Ich ... Nein - das würde sich nicht gehören«, stammelte sie.
    »Also, dann bleibt es bei Lucy. Es kommt nicht in Frage, daß man von mir sagt, ich benähme mich ge-hörig.« Als wären seine Worte nicht Frechheit genug, be-saß er die Unverschämtheit, ihr lächelnd tief in die Augen zu schauen.
    Versuchte er, sie zu verführen? Natürlich war diese Annahme lächerlich, und doch war der Ausdruck in diesen unerhört blauen Augen nicht mißzuverstehen. Nein, nicht blau, schwefelfarben eher, denn er blickte sie an, als würde seine Leidenschaft sie im nächsten Moment zu Asche verbrennen!
    Lucy wich ein wenig zur Seite, um den Abstand zu Ivan zu

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