Spiel Der Sehnsucht
fühlen, wie Finger, die kühn über ihre prickelnde Haut strichen.
Noch schlimmer war, daß dieses Prickeln sich an den peinlichsten Körperstellen einnistete. Ihre Brustwarzen verhärteten sich und rieben unangenehm gegen den Stoff ihres Hemdes. Ihr Unterleib zog sich zusammen und schien von innen mit einer sündigen, kleinen Flamme zu brennen.
Es war die Flamme des Begehrens, das wußte Lucy jetzt, obwohl noch kein anderer Mann sie bisher entfacht hatte.
Möge deine Zigeunerseele im Höllenfeuer brennen für die Qualen, die du mir bereitest, dachte sie. Alles wäre nicht so schlimm, wenn er ihr in aufrichtiger Absicht den Hof machen würde. Doch das war nicht der Fall, und das verletzte Lucys Stolz zutiefst.
Aber dieses Spiel konnte von zweien gespielt werden, überlegte sie, während sie aus dem Park trat und geradewegs auf das Haus zuging. Er wollte ebensowenig ertappt werden wie sie. So lange sie ihn an diese Tatsache erinnerte, befände sie sich in Sicherheit. So hoffte sie zumindest.
Ivan wußte, daß er grinste. Jeder, der ihn ansah, konnte zweifellos seine Gedanken erraten. Doch diesmal war es ihm egal.
Lucy Drysdale war seltsamerweise die fesselndste Frau, der er je begegnet war. Hätte eine andere zu ihm von Nachgeben und Zurückziehen gesprochen oder davon, ihn zu küssen oder ihn zu verführen - nun, er hätte sich gut unterhalten und vielleicht erregt gefühlt.
Doch er hätte gewußt, daß das Spiel für ihn bereits gewonnen und die Kapitulation der Frau nur noch eine Frage der Zeit wäre.
Bei Lucy war der Ausgang jedoch nicht so offensichtlich.
Nein, verbesserte er sich, der Ausgang war gewiß. Es würde damit enden, daß sie ihre Lust aneinander ausle-ben würden. Daran gab es gar keinen Zweifel. Doch wann es soweit sein würde, welche köstlichen, unerwar-teten Wendungen sich bis dahin noch ergeben würden, konnte er nicht voraussagen.
»Zur Hölle damit!« Der bloße Gedanke an die widerspenstige Miss Drysdale verursachte ein schmerzhaftes Ziehen in seinen Lenden. Daß sie sich gegen seine Anziehungskraft zur Wehr setzte, war eine größere Verlockung als alle schmachtenden Blicke, die ihm hinter Fächern hervor während der vergangenen Monate zugeworfen worden waren.
Er suchte nach einer neuen, bequemeren Position auf der Parkbank, in der man ihm seinen Zustand nicht sofort ansah. Tief durchatmend, zwang er seine Gedanken in eine andere Richtung. Dabei beobachtete er einige Spaziergänger, zwei eifrig ins Gespräch vertiefte Matronen, ein Kindermädchen mit einem kleinen Jungen und einem Hund, sowie einen Gärtner, der eine bereits vollkommen geformte Hecke weiter trimmte.
Ivans Blick kehrte zu dem Jungen zurück. Er hatte einen dicken, blonden Haarschopf, trug einen Spitzen-kragen und Spitzenärmel. In der Hand hatte er einen Stock, den der kleine Hund ihm unermüdlich zu ent-reißen suchte. Doch das Kindermädchen unterbrach immer wieder das Spiel.
»Du wirst deine Handschuhe schmutzig machen!«
»Laß den Hund nicht an dir hochspringen!«
»Wenn du dich nicht ordentlich benimmst, gehen wir nach Hause!«
Der Junge blieb stehen, so daß das unangenehme Frauenzimmer ihn einholen konnte. Sofort nahm sie ihm den Stock weg, brach ihn entzwei und warf die Stücke genau vor Ivan in die Rhododendronbüsche. Natürlich stürzte sich der Hund kopfüber ins Gebüsch auf der Suche nach dem Stock. Währenddessen packte das Kindermädchen den Jungen am Arm und schüttelte ihn.
»Wenn du dich unmanierlich benimmst, gehen wir nach Hause.«
»Ich möchte aber bleiben«, antwortete der Junge klagend.
»Dann benimm dich! Ich meine es ernst, John. Wenn du dich nicht wie ein ordentlicher, junger Gentleman betragen kannst...«
Ivan hörte nicht mehr zu, seine gute Laune hatte sich ins Gegenteil verkehrt. Er war selbst dieses Kind gewesen, dachte er, während er dem Jungen nachblickte, der widerstrebend hinter dem Kindermädchen hertrottete, der Freiheit beraubt, die er so sehr brauchte.
In Ivans Wange begann ein Muskel zu zucken. Wenn er Kinder hätte, würde er sie frei in den Wäldern und Fel-dern spielen lassen. Er würde sie nicht zwingen, Handschuhe anzuziehen und würde sie die Namen der Bäume im Wald lernen lassen, ehe sie die Reihenfolge der englischen Könige lernen mußten.
Doch er wollte ohnehin keine Kinder.
Er erhob sich und wandte dem kleinen John samt Kin-derfrau und Hund den Rücken zu. Wenn der Junge Rückgrat hatte, würde er sich eines Tages auflehnen.
Wenn nicht, dann
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