Spiel Der Sehnsucht
nur noch um Ivan. Wenn sie sein Verhalten richtig deutete, so war er bereit, den Sprung zu tun.
Sie durfte jetzt nur nicht zu eifrig erscheinen.
Vor der Bibliothek blieb sie stehen. Sie roch den Rauch von Tabak, aber kein Laut war drinnen zu hören. Wahrscheinlich waren jetzt alle da drin und stierten sich gegenseitig an. Langsam und tief atmete sie ein. Sie würde nun sehr behutsam vorgehen und ihre Worte vorsichtig abwägen müssen. Aber sie fühlte sich ihrem Vorhaben gewachsen.
Ivan würde ihr nicht entwischen, nicht dieses Mal. Sie hatte ihren Köder sorgfältig ausgelegt.
Ivan räkelte sich in dem schweren Ledersessel und sah dem Rauch nach, der von seiner Zigarre aufstieg. Er rauchte, um Lord Dunleith zu ärgern - und um seine Hände davon abzuhalten, Elliot zu erwürgen. Lieber würde er den Mann zur Hölle schicken, als ihn noch einmal in Lucys Nähe zu lassen. Und er wußte schon genau, wie er das anfangen würde.
Jetzt kam die alte Hexe herein, aufrecht, als habe sie ihren Besen verschluckt. Entschlossen. Ivan betrachtete sie so gleichmütig wie nie zuvor.
Die Alte hatte ein eiskaltes Herz und Nerven wie Drahtseile. Sie versuchte, das Leben ihrer Verwandten ebenso zu kontrollieren wie die riesigen Besitztümer, um die ihr Sohn sich nie gekümmert hatte. Sie hatte die Grundstücke und Gelder der Familie besser verwaltet als so mancher Mann. Doch wenn es darum ging, Menschen zu manipulieren, versagte sie kläglich.
Einen Augenblick lang fragte Ivan sich, wie wohl das Leben seines Vaters verlaufen war - mit einer solchen Mutter. War seine totale Unfähigkeit vielleicht seine Art gewesen, sich gegen seine Mutter aufzulehnen?
Ivan runzelte die Stirn. Es interessierte ihn nicht die Bohne, weshalb sein Vater ein rückgratloser Versager gewesen war. Er jedenfalls wollte nicht in seine Fußstap-fen treten.
Lady Westcott blieb unter der Tür stehen und blickte Ivan an. »Wenn ich gewußt hätte, was du heute abend vorhattest, dann hätte ich eine andere Gästeliste aufgestellt.«
»Ich wäre wohl auch auf dieser Liste zu finden gewesen«, bemerkte Elliot.
»Jetzt reicht's aber, junger Mann«, erboste sich Lord Dunleith. »Eine solche Unverschämtheit lassen wir ...«
»Sie würden die Liste anführen«, sagte Lady Westcott zu Elliot, »natürlich hinter meinem unmoralischen Enkel.«
»Ich gratuliere, Madam«, warf Ivan ein, »Sie haben das Zeug zu einer erstklassigen Kupplerin. Sollte ich je eine Orgie planen, werde ich mich zuerst mit Ihnen beraten.«
»Jetzt reicht's aber!« wiederholte Lord Dunleith und kam schnaufend auf die Füße. »Ich lasse nicht zu, daß Sie Antonia derartig beleidigen. Und Sie sollen aus der heutigen Affäre auch nicht ungeschoren davonkommen.«
Er stand Ivan gegenüber und schüttelte seine gichtige Faust. »Da Miss Drysdale hier niemanden hat, der ihre Ehre verteidigt, werde ich diese Aufgabe übernehmen.
Erklären Sie sich, Westcott, sonst sehe ich mich gezwungen, Sie herauszufordern.«
Ivan sog an seiner Zigarre und blies einen vollkomme-nen blaugrauen Rauchring. »Sie wollen mich herausfordern?« Er grinste den wütenden alten Mann an. »Vermutlich auf Schwerter, wie?«
»Glauben Sie ja nicht, daß ich mit Ihnen nicht fertig werde«, schimpfte Lord Dunleith.
»Und falls es Ihnen doch nicht gelingen sollte, werde ich es tun«, fiel Elliot ein.
Sofort flackerte Ivans Zorn wieder auf. Elliot brauchte sich nicht einzubilden, er könne sich hier als Lucys edlen Retter aufspielen und dadurch ihre Zuneigung gewinnen. Das kam gar nicht in Frage. Ivan legte die Zigarre in den Aschenbecher und betrachtete kalt den Mann, den er so viele Jahre für seinen Freund gehalten hatte. »Ich glaube, es fällt dem Herausforderer zu, Ort und Zeit zu nennen?«
»Es wird kein Duell geben!« fiel Lady Westcott ein.
»Das lasse ich nicht zu.«
»Ihre Wünsche sind mir gleichgültig, Madam, und sind es immer gewesen«, antwortete Ivan bissig.
Lady Westcott musterte ihn verächtlich. »Mein Gott, du bist noch schlimmer, als ich dachte. Du hast mit der Zuneigung jeder Erbin gespielt, die dir über den Weg lief, ohne einer einen Antrag zu machen. Und jetzt läßt du dich auf eine billige Affäre mit einer Anstandsdame ein.«
»Wenn sie gut genug ist, um die Anstandsdame Ihres Patenkindes zu sein, so ist sie auch gut genug für mich.«
»Ich habe nicht gesagt, sie sei keine respektable Partie. Ganz im Gegenteil. Sie hat zwar weder einen Titel noch eine große Mitgift. Doch eines besaß sie
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