Spiel der Teufel
nur bestätigen.
Das, worüber ich Ihnen erzähle, ist das Spiel der Teufel. Ein
Teufel neben dem andern. Nach außen geben sie sich seriös
und integer, manche sogar christlich oder gottesfürchtig. Sie
sind Mäzene und Wohltäter, bauen Kinderheime oder sogar
ganze Dörfer, aber nur, um damit zu vertuschen, welche Fratze
sich hinter ihrer Fassade verbirgt. Es geht ausschließlich um
Macht und Geld, nichts anderes. Jemand hat einmal gesagt, wer
Geld hat, hat Macht, und wer Macht hat, regiert das Geld. Wer
nicht für sie ist, ist automatisch gegen sie und damit ein Feind,
der liquidiert werden muss. In Russland sterben jedes Jahr
nicht nur viele Journalisten auf mysteriöse Weise, sondern auch
Menschenrechtler, weil sie die Wahrheit sagen oder schreiben,
aber die Regierung wäscht ihre Hände in Unschuld. Das seien
alles nur Verschwörungstheorien, und mit den angeblichen
Morden habe die Regierung nichts zu tun. Aber dann soll mir
einer verraten, warum es keine einzige Polit-Talkshow mehr
gibt, warum Menschenrechtler nicht mehr im Fernsehen auftreten
dürfen und vom Untergrund aus agieren müssen. Alles
wird kontrolliert, von der Regierung, vom FSB und von all jenen,
die in der Liga der Unantastbaren mitspielen.« Ivana atmete
tief durch. »Ich will Ihnen aber auch die anderen Fragen
beantworten, zum Beispiel, wer die Operationen durchführt.
Das sind Spezialisten aus ganz Europa. Sie werden von der Firma
angeheuert, und wer sich weigert, der wird gezwungen.
Man setzt die jeweilige Person unter Druck, und glauben Sie
mir, der Druck ist so stark, dass sich keiner weigert...«
»Wie werden diese Leute unter Druck gesetzt?«, fragte Henning,
noch immer mit einem leichten Zweifel in der Stimme,
der jedoch allmählich schwächer wurde.
»Man macht ihnen klar, dass ihnen keine Wahl bleibt. Wer nicht
sofort mitzieht, dem werden die Konsequenzen aufgezeigt,
entweder für sich oder seine Familie, wobei man sich zuallererst
an die Familie halten würde. Aber schon bei den sogenannten
Einstellungsgesprächen werden die Betreffenden derart
eingeschüchtert, dass sie gar nicht wagen, sich zu weigern. Allerdings
gibt es auch genügend Ärzte und Chirurgen, die keine
Skrupel kennen, sondern nur das Geld sehen.
Es gibt aber Chirurgen, die irgendwann zerbrechen. Wenn das
der Fall ist, werden sie einfach ausgetauscht, nachdem sie einen
tödlichen Unfall hatten oder an plötzlichem Herzversagen gestorben
sind oder einen allergischen Schock hatten oder auf
eine andere Weise ums Leben gekommen sind. Einer von diesen
armen Schweinen hat sich zur Jahreswende das Leben genommen.
Er hat erst seine Frau und die beiden Kinder getötet
und anschließend sich selbst. Er war einer der renommiertesten
Hepatologen in Europa. Sie müssten den Fall eigentlich
kennen, weil er sich in Kiel zugetragen hat.«
Henning schluckte schwer und sah Ivana wieder mit diesem
ungläubigen Blick an. »Sie sprechen von Prof. Thiessen?«
Ivana nickte. »Er hat auch für die Firma gearbeitet, bis er es
nicht mehr ausgehalten hat. Nachdem man merkte, dass er der
Belastung nervlich nicht länger gewachsen war, beschloss man,
ihn zu beseitigen. Thiessen schien das aber irgendwie zu ahnen
und kam diesen Bluthunden zuvor. Er hat sich meiner Meinung
nach das Leben genommen, weil er wenigstens im Tod
noch so etwas wie Würde bewahren wollte.«
»Was wissen Sie noch über Thiessen?«, fragte Henning, der
wie elektrisiert war. Mit einem Mal machte alles Sinn, das fehlende
Motiv, die scheinbar sinnlose Tötung seiner Familie,
bevor er sich selbst mit Zyankali umbrachte, die Notiz mit
den lapidaren Worten: »Ich halte es nicht mehr aus. Es ist die
Hölle, nichts als die Hölle.« Die friedliche und sorgenfreie
Welt des renommierten und bei allen Mitarbeitern beliebten
Spezialisten für Lebererkrankungen und besonders -transplantationen
war zerstört worden. Henning und seine Kollegen
hätten noch zehn oder zwanzig Jahre die Akten geöffnet
halten können, nie wären sie auf die Idee gekommen, dass sein
Tod in Verbindung mit der Organmafia stehen könnte. Ivana
gab Informationen preis, die diesen sogenannten erweiterten
Suizid plötzlich so klar und auf eine gewisse Weise auch verständlich
machten.
»Er war immer freundlich, immer höflich und fachlich unbestritten
einer der Besten. Aber diese verdammten Bestien haben ihn
kaputtgemacht. Er hatte zwei schulpflichtige Kinder und eine
sehr nette Frau. Sein
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