Spiel der Teufel
ich bin nur eine
kleine Mitarbeiterin in einem riesigen Konzern, aber einer der
einflussreichsten ist Lew Luschenko. Er ist Multimilliardär,
ihm gehört ein sehr erfolgreicher Fußballklub, er besitzt Einkaufsmeilen
in der ganzen Welt, er hat sich im Lauf der letzten
Jahre in Spanien und Italien riesige Grundstücke und Immobilien
zugelegt, und das alles mit Blutgeld, das durch legale Investitionen natürlich reingewaschen wurde. Offiziell ist er Unternehmer,
spielt im Gas- und Ölgeschäft eine gewichtige Rolle,
hat in mehreren internationalen Unternehmen ein gewaltiges
Mitspracherecht, weil er große Anteile hält, und ist politisch
sehr aktiv. Er liebt es geradezu, sich in der Öffentlichkeit zu
präsentieren. Er ist ein Saubermann, den man gerne sieht, weil
er das moderne Russland verkörpert und man so sein möchte
wie er. Was er wirklich treibt, erfährt kaum einer, weil bei uns
die Presse einer derartigen Zensur unterliegt, dass Enthüllungsberichte
über bestimmte Personen gar nicht an die Öffentlichkeit
dringen und wenn, dann nur über Umwege. Jedes Jahr
werden mehrere Journalisten umgebracht, die es wagen, sich
mit Themen zu beschäftigen, die sie offiziell nichts angehen.
Anna Politkovskaja steht nur stellvertretend für viele andere.
Ich will aber nicht abschweifen. Luschenko steht in der Hierarchie
zwar nicht an der Spitze, doch sehr weit oben. An ihn
heranzukommen ist praktisch unmöglich, weil er von allen Seiten
nicht nur beschützt, sondern auch hofiert wird. Er ist überall
ein gerngesehener Gast, er bereist die ganze Welt, er wird
von Staatsoberhäuptern empfangen und sitzt bei wichtigen
Verhandlungen mit am Tisch. Sein Aufstieg war rasant, kam
aber für Insider nicht unerwartet, denn bevor er Multimilliardär
wurde, war er von 1986 bis 1991 ein hohes Tier beim KGB
und nach dessen Auflösung beim FSB, genau wie sein Mentor
und Ziehvater.«
Als Ivana nicht weitersprach, fragte Henning: »Von wem reden
Sie?«
»Ist das nicht egal? Aber ich könnte Ihnen den Namen eines
Mannes nennen, der sich nur ein paar Kilometer von hier aufhält
und auch hier wohnt. Er gehört ebenfalls in die Riege der
Schwerkriminellen und kennt Luschenko persönlich. Er ist
Arzt, ehemals Leiter einer großen Klinik und Chefchirurg,
dem nachgesagt wird, dass er in den achtziger Jahren mit Genehmigung, manche behaupten sogar im Auftrag der Regierung,
sehr zweifelhafte Experimente an Menschen durchgeführt
hat. Man sieht es ihm nicht an, sie würden ihn für einen
freundlichen und netten Herrn halten, der nur das Beste für Sie
will. In Wirklichkeit ist er wie Luschenko ein Teufel in Menschengestalt.
Er operiert heute nicht mehr selbst, sondern ist
Cheforganisator für die Kliniken und verantwortlich für die
Anwerbung von Ärzten in Deutschland, Skandinavien, Großbritannien
und die romanischen Länder. Natürlich macht er
sich längst nicht mehr selbst die Finger schmutzig, die Drecksarbeit
lässt er von seinen Sklaven erledigen, wie er sie abfällig
nennt. Aber auch diese Sklaven sind sehr gut ausgewählte Männer
und Frauen, die eine harte Schule durchlaufen haben, in der
ihr Gewissen ausgeschaltet wurde. Sie töten auf Kommando,
zeigen keine Emotionen und ... Für sie zählt ein Menschenleben
nichts, sie sind nur noch Maschinen, die quasi auf Knopfdruck
gehorchen. Sie werden gut bezahlt, doch wenn einer von
ihnen Mist baut, wird er umgelegt, denn ein Fehler ist schon zu
viel. Etliche von ihnen sind ehemalige Geheimdienstler oder
hatten beim Militär eine führende Position inne oder waren bei
der Polizei.«
»Wer ist dieser andere? Kennen wir ihn?«, fragte Santos neugierig.
»Mit Sicherheit nicht. Und bitte entschuldigen Sie, wenn ich
Ihnen seinen Namen nicht nenne ...«
»Und warum nicht?«
»Ich will nicht, dass Sie etwas Unbedachtes tun, so wie Gerd es
offenbar getan hat. Außerdem gehört auch er zu den Unantastbaren,
und sich mit ihm anzulegen würde zwangsläufig Ihren
Tod bedeuten, denn er genießt Protektion von ganz oben, und
wenn ich von ganz oben spreche, dann meine ich ganz oben.
Das spielt sich auf politischer Ebene ab. Und die, von denen
ich rede, sind knallharte Geschäftsleute, kaltblütig, skrupellos.
Denken Sie sich irgendeinen Superlativ aus, er reicht nicht, um
zu beschreiben, was dort vor sich geht. Jemand hat mir mal
gesagt: Den Teufel erkennt man erst, wenn man ihm die Hand
gibt und er sie nicht mehr loslässt. Ich kann das
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