Spiel der Teufel
Fehler war, dass er zu gut in seinem Beruf
war - und viel zu sensibel. In dem Moment, in dem die Firma ihn
angeheuert hat, war das im Prinzip schon sein Todesurteil.«
»Das hört sich an, als hätten Sie ihn persönlich gekannt.«
»Nein, aber es wurde natürlich hinter vorgehaltener Hand in
der Firma darüber gesprochen. Die mögen es nicht, wenn einer
sich aus dem Staub macht, wenn Sie verstehen. Die legen lieber
selbst Hand an.«
»Von wie vielen Ärzten sprechen wir?«
»In Deutschland oder Europa?«
»Beides.«
»In Deutschland knapp über fünfzig hochqualifizierte Chirurgen,
in Skandinavien etwas weniger als die Hälfte, für die
andern Länder fallen mir jetzt im Moment nicht die genauen
Zahlen ein, aber es dürften insgesamt so an die dreihundert
sein. Dazu kommen noch Assistenzärzte, Anästhesisten, Pfleger,
Krankenschwestern und so weiter, von denen die meisten
aber aus Russland oder einem andern osteuropäischen Land
stammen. Die einzige Voraussetzung ist, dass sie die jeweilige
Landessprache einigermaßen beherrschen. Die sind alle heilfroh,
endlich gutes Geld zu verdienen.«
»Aber das muss doch auffallen? Ich meine, es gibt doch Spender
und Empfänger. Wo kommen die Empfänger her beziehungsweise
wie werden die Kontakte hergestellt?«
Ivana lächelte, wobei ihr Blick ins Leere ging und sie sich eine
Zigarette ansteckte, bevor sie antwortete: »Die Nachfrage ist
groß, und das Netzwerk wird immer dichter. Da wird zum
Beispiel bei einem wohlhabenden Patienten eine nicht behandelbare
Herzmuskelentzündung diagnostiziert, die über kurz
oder lang zum Tode führen wird. Die Information wird weitergegeben,
der Patient entsprechend kontaktiert, und sofern
er willens und vor allem finanziell in der Lage ist, ein Herz zu
kaufen, bekommt er es auch. Und glauben Sie mir, es gibt mittlerweile
sehr viele Menschen, die gerne eine halbe Million oder
mehr für ein Organ auszugeben bereit sind. Und jeder profitiert,
der Arzt, der als Informant tätig ist und einen andern ans
Messer liefert, der Chirurg, der die Operation durchführt, und
natürlich ganz besonders die ehrenwerten Damen und Herren
ganz oben. Nicht zu vergessen der Patient, dem ein neues Leben
geschenkt wird. Die Empfänger kommen übrigens aus der
ganzen Welt. Deutschland ist das Paradies für jemanden, der
ein Organ braucht.«
»Aber nicht für den, der dafür getötet wird, damit ein anderer
leben kann. Es tut mir leid, doch irgendwie kommt mir das alles
sehr abstrus vor. Menschen, die wegen ihrer Organe getötet
werden«, sagte Henning kopfschüttelnd.
»Ach ja? Und woher, glauben Sie, kenne ich Thiessen? Aus der
Zeitung? Nein, ich könnte Ihnen nämlich Details nennen, was
seinen Tod betrifft, die nie in der Zeitung standen. Zum Beispiel,
wie er sich und seine Familie umgebracht hat.«
»Das können Sie auch von Gerd haben«, entgegnete Henning
trocken.
»O ja, natürlich, woher sonst?! Haben Sie Gerd die Informationen
gegeben? Ich habe ihn gefragt, was er über Thiessens
Tod weiß, und er sagte, gar nichts weiter, weil es nicht in seinen
Zuständigkeitsbereich fiel. Aber Sie haben mich gefragt, was
mit den Leichen passiert. Das ist ganz einfach, sie werden wieder
nach Russland gebracht und dort entsorgt. Es ist ein riesiges
Land und ...«
»Wie kommen sie her und wieder zurück?«
»In Containern. Ein- bis zweimal pro Woche legt ein Schiff
entweder aus St. Petersburg, Tallinn, Kaliningrad, Klaipeda,
Riga, Turku, Oslo, Stockholm oder Göteborg in Rostock und
Kiel an, mit in der Regel nur einem Container voller Menschen,
meistens so zwischen fünfzehn und zwanzig, manchmal auch
ein paar mehr. Es kommt aber auch vor, dass zwei Container
geliefert werden, denn die Nachfrage ist enorm.«
»Augenblick mal, ich denke, die Spender kommen alle aus
Russland«, warf Henning ein.
»Tun sie ja auch, nur wird nicht immer dieselbe Route gewählt.
Abgelegt wird außer in den Wintermonaten immer in St. Petersburg.
Manchmal geht die Fracht von dort direkt in einen der deutschen
Ostseehäfen, meist wird aber in einem andern Hafen umgeladen.
Deshalb sind die Schiffe auch immer mindestens einen Tag
länger unterwegs als normalerweise üblich. Und diese ganz speziellen
Container passieren den Zoll, ohne jemals kontrolliert zu
werden. Sie werden mit einem Kran vom Schiff geholt, auf einen
Lkw geladen, und dann geht es zu den entsprechenden Kliniken.
Den genauen Ablauf kenne ich aber selbst
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