Spiel der Teufel
Sie stockte wieder, wischte sich ein paar Tränen weg, schneuzte
sich die Nase und fuhr fort: »Ich bin um kurz nach halb eins
nach Hause gekommen, obwohl Gerd mir versprochen hatte,
mich am Bahnhof abzuholen. Ich habe ihn angerufen, erst auf
seinem Handy, aber da sprang nur die Mailbox an, dann zu
Hause und schließlich im Büro. Ich habe ihn nicht erreicht und
dachte mir, er hat vielleicht einen besonderen Auftrag und sein
Handy ausgeschaltet.«
»Entschuldige, wenn ich dich unterbreche, aber hatte Gerd
sein Handy öfter ausgeschaltet?«, fragte Santos, die immer auf
ihrem Mobiltelefon erreichbar war.
»Nein, eigentlich nicht«, antwortete Nina und sah Santos an,
»aber ich habe ihn auch nur ganz selten angerufen, wenn er im
Dienst war. Er hat immer angerufen und ... Er wollte immer
wissen, wie es mir geht. Er hat sich eben Sorgen um mich gemacht.
Aber das ist nicht so wichtig. Ich bin dann schließlich
mit dem Bus hergefahren. Als ich ankam, war alles wie immer,
die Garage war zu, die Haustür abgeschlossen... Trotzdem hatte
ich so ein komisches Gefühl. Irgendwie war alles so kalt. Ich
habe dann noch einmal versucht, ihn zu erreichen, und dann
ging auch endlich einer aus seiner Abteilung an den Apparat. Er
hat mir schließlich gesagt, dass Gerd gestern noch ganz normal
Dienst hatte, heute hätte er aber frei. Ich wusste ja, dass Gerd
heute und morgen frei gehabt hätte, und deshalb habe ich mich
auch so gewundert, dass er mich nicht vom Bahnhof abgeholt
hat. Ich bin dann rausgegangen, und als ich an der Garage stand,
habe ich ganz leise den Motor laufen hören. Da war mir klar,
dass etwas ganz Schreckliches passiert sein musste.«
»Und dann bist du in die Garage rein?«, sagte Henning.
»Natürlich, was glaubst du denn? Ich werde diesen Augenblick
nie in meinem Leben vergessen. Er saß hinter dem Steuer,
sein Kopf lag auf dem Lenkrad, seine Arme hingen runter.
Ich habe die Tür aufgerissen und den Motor abgestellt, aber
ich habe sofort gesehen, dass Gerd tot war. Ich bin wie in
Trance ins Haus gerannt und habe Ziese angerufen. Was danach
war, weiß ich nicht mehr, ich bin einfach nur ziellos
durchs Haus gelaufen.«
»Wann habt ihr das letzte Mal miteinander gesprochen?«
»So gegen Mitternacht. Ich wollte ihm nur gute Nacht sagen.«
»Hat er da schon geschlafen, oder hat er auf deinen Anruf gewartet?
«
»Nein, er war noch im Dienst und irgendwo unterwegs, frag
mich aber nicht, wo. Ich hatte auch gedacht, er wäre schon zu
Hause, aber als er hier nicht abgenommen hat, hab ich's auf
seinem Handy probiert.«
»Er hatte gestern den ganzen Tag Dienst und auch noch
nachts?«, fragte Henning zweifelnd, der kaum einmal länger
als zwölf Stunden am Stück gearbeitet hatte, außer in absoluten
Notsituationen oder wenn akuter Personalmangel wegen zum
Beispiel Krankheit herrschte.
»Ja, das kam gerade in letzter Zeit öfter vor. Als ich ihn angerufen
habe, war er ziemlich kurz angebunden, weil er an einer
Observierung teilnahm. Er hat nur gemeint, er würde so gegen
drei Schluss machen und sich sofort hinlegen, weil er nach dem
langen Tag einfach kaputt war. Ja, und er wollte mich am Mittag
vom Bahnhof abholen. Er hat aber noch gesagt, er könne es
gar nicht erwarten, mich wiederzusehen. Seine letzten Worte
waren: »Ich liebe dich.«
»Und danach gab es keinen Kontakt mehr?«
»Nein, warum auch?«
»Das heißt, du bist nach dem Telefonat zu Bett gegangen und
ziemlich bald eingeschlafen«, konstatierte Henning.
Nina zögerte mit der Antwort und sagte schließlich, ohne
Henning anzusehen: »Ja und nein. Momentan nehme ich ein
Schlafmittel. Es ist zwar rein pflanzlich, hat aber eine starke
Wirkung. Der Phytotherapeut hat mir versichert, dass es dem
Baby nicht schadet. Letzte Nacht konnte ich aber nicht richtig
schlafen, es war nur so ein Hindämmern, und wenn ich mal
weggenickt bin, kamen diese bösen Träume, die ich in letzter
Zeit schon öfter hatte, obwohl ich das Schlafmittel genommen
hatte. Davor habe ich noch einen Tee getrunken und mich so
gegen halb eins hingelegt.«
»Und dann bist du ziemlich bald eingeschlafen«, meinte Henning.
»Hast du nicht zugehört? Ich habe nicht richtig geschlafen ...«
»Entschuldigung, ich bin auch ein bisschen durcheinander.
Gerd war schließlich mein Freund.«
Nina lächelte wieder und sah erst Santos und dann Henning
vergebend an. »Danke, dass du das sagst. Es tut gut. Er war
immer für andere da,
Weitere Kostenlose Bücher