Spiel der Teufel
Herz begehrt. Wofür
du's brauchst, danach fragt keiner, wenn die Kasse stimmt.«
»Und Flensburg? Ich meine, die Autos müssen doch dort registriert
sein.«
»Herr Henning, vertun wir doch nicht unsere Zeit mit diesem
Zeug. Ich hab echt keinen Bock, jetzt eine Abhandlung über
die OK zu halten, vielleicht mal bei 'nem Bier, okay? Aber nur
eins noch - die Osteuropäer, allen voran die Russen, haben in
kaum fünf Jahren das Geheimnis der Marktwirtschaft, der
Korruption und Einschüchterung gelernt, wofür der Westen
hundert oder zweihundert Jahre gebraucht hat. Die haben verdammt
schnell gelernt, wie das Geschäft funktioniert. Die gehen
über Leichen, da kommt's auf einen mehr oder weniger
nicht an. Wer nicht hundertprozent mitzieht, wird kaltgemacht.
Wir haben gerade letztens bei einem Seminar gehört, dass allein
in den vergangenen zwei Jahren über hundert Topmanager entweder
spurlos verschwunden sind oder ermordet wurden. Von
anderen, die weiter unten standen, ganz zu schweigen.« Klose
beugte seinen bulligen Oberkörper nach vorn und fixierte
Henning. »Normalerweise halte ich mich zurück, aber das, was
aus dem Osten seit ein paar Jahren zu uns rüberschwappt, ist
eine riesige Jauchegrube, die hier bei uns ausgeschüttet wird.
Halten Sie mal Ihre Nase in den Wind, es stinkt gewaltig. Vor
sechzig Jahren kamen die Russen mit Panzern, heute kommen
sie mit einem Haufen Kohle, die sie bei uns investieren und so
allmählich den Markt übernehmen. Das ist die Realität, die
aber keiner sehen will. Tja, so ist das eben.«
Klose lehnte sich wieder zurück, die Hände über dem Bauch
gefaltet.
»Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Ich meine, Gerds Frau
ist auch Russin.«
»Ich werd'n Deibel tun und alle über einen Kamm scheren, aber
die, mit denen wir es in unserer Abteilung zu tun haben, die lösen
bei mir eine heftige Allergie aus und einen gewaltigen Juckreiz
in den Fingern, wenn Sie verstehen. Nur, an diese Scheißbrüder
kommen wir nicht ran, und wenn doch mal, sind wir die
Arschlöcher, weil wir gleich wieder zurückgepfiffen werden.«
»Von wem?«
Klose zeigte zur Decke und antwortete: »Von oben natürlich.
Wir sind doch nur die Deppen vom Dienst. Ich erzähl Ihnen
eine kleine Geschichte, die jetzt gar nichts mit den Russen zu
tun hat. Vor gut drei Jahren stand mit einem Mal ein Staatsanwalt
bei mir auf der Matte und hat mich gefragt, was denn mit
Dietmar Pflock sei. Sie wissen schon, der Waffenhändler,
Schmiergeldzahler und Geldwäscher. Seit Jahren wurde der
weltweit gesucht, und dann fragt man mich, was mit dem sei.
Ich hab dem Staatsanwalt das auch gesagt, ich hatte ja überhaupt
keine Infos über den Typ, wir hatten hier noch nie was
mit dem zu tun, geschweige denn eine Akte auf dem Tisch.
Hallo, was hab ich mit diesem Arsch zu tun, hab ich mich gefragt.
Der hat sich jedenfalls nicht abwimmeln lassen. Er hat
angeordnet, dass ich mich mit meinen Leuten um den Fall
kümmere. Ums kurz zu machen, wir haben unter größten
Mühen die Akten beschafft, und siehe da, der werte Herr
Pflock war gar nicht untergetaucht, obwohl er mit internationalem
Haftbefehl gesucht wurde. Er lebte ganz offen und
friedlich in Madrid, hatte dort ein Luxuspenthouse und auch
sonst alle Annehmlichkeiten und falsche Papiere, die er aber
nicht irgendwo bei einem dubiosen Fälscher gekauft hatte, nee,
die waren ihm von oberster Regierungsseite ausgestellt worden,
und zwar im Jahr 1996. Die haben die ganze Zeit die
Öffentlichkeit und auch die Justiz an der Nase rumgeführt, nur
ein paar wenige waren eingeweiht, aber die paar wenigen sind
die Entscheider und Strippenzieher.«
»96? Das war doch ...«
Klose winkte ab. »Vergessen Sie's, der eine ist wie der andere.
Beim Prozess war ich die ganze Zeit anwesend. Das Ende vom
Lied war, dass Pflock nach dem Urteil als freier Mann das
Gericht verlassen durfte, weil ihm sein ehemaliger Big Boss
ein Leumundszeugnis erster Güte ausgestellt hat. Ich hätt dem
Typ eins in die Fresse hauen können. Uns hat er jahrelang als
Dünnbrettbohrer und Dilettanten bezeichnet, dabei hat er dafür
gesorgt, dass wir dauernd ins Leere gelaufen sind. Die
Krönung aber war, dass der Richter, als Pflock das Schlusswort
beendet hatte, aufstand und ihm Beifall klatschte. Das
muss man sich vorstellen! Ich war bei so vielen Prozessen
schon anwesend, und nie hat ein Richter bei einem Schlusswort
zugehört. Die sind mit ihren Gedanken meist
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