Spiel der Teufel
alles zu reden. Natürlich hat
er auch dich erwähnt und was für eine tolle Frau du bist. Er hat
gesagt, wenn er auf dieser Welt außer mir überhaupt jemandem
traut, dann euch. Deswegen bin ich zu euch gekommen, weil es
das Letzte ist, was ich für Gerd tun kann.«
»Das ehrt uns sehr. Aber, Ivana, wir sind uns durchaus der Gefahr
bewusst, und wir würden niemals ohne einen Beweis einen
Kollegen mit einer nicht fundierten Behauptung konfrontieren.
Gerd hat drei Namen erwähnt, und ich verspreche dir
hoch und heilig, dass wir nichts unternehmen, bis wir nicht
einen handfesten Beweis haben. Aber ohne Namen tappen wir
weiter im Dunkeln.«
»Bitte, nur noch bis morgen. Ihr bekommt den USB-Stick und
die entsprechenden Namen. Danach sehen wir uns nie mehr
wieder.«
»Du machst es uns nicht leicht. Aber gut, ich werde Sören
überzeugen, dass es so am besten ist. Ich hoffe nur, dass du uns
nicht hängenlässt. Gibst du mir dein Wort?«
Ivana lächelte zum ersten Mal seit über einer Stunde und versicherte:
»Ich gebe dir nicht nur mein Wort, ich schwöre es bei
meiner Schwester Larissa, die uns jetzt von irgendwo dort oben
zuschaut. Ich rufe euch morgen an.«
Ivana ging einen Schritt auf Santos zu, und es schien, als wollte
sie die Küche verlassen. Stattdessen umarmte sie Santos, und als
sie sich wieder löste, standen Tränen in ihren Augen. Sie hatte
beide Hände auf Santos' Schultern gelegt und sagte: »Seit ich
denken kann, war mein Leben alles andere als leicht. Besonders
hart wurde es aber, als Larissa verschwand. Ich habe meine Eltern
und meine beiden Brüder seit über drei Jahren nicht mehr
gesehen. Es wäre zu riskant, sie zu besuchen, meine Tarnung
würde womöglich auffliegen, und ich würde sie auch noch in
Gefahr bringen. Ich war so froh, dass ich Gerd hatte. Er war der
Einzige, der mich nicht nur verstand, sondern mir auch geholfen hat und an den ich mich anlehnen konnte. Es war alles kalt,
nur wenn ich mit Gerd zusammen war, war es warm. Ich fühlte
mich bei ihm so unendlich geborgen. Du als Frau wirst es verstehen,
aber wenn er mich nur leicht berührt hat, wusste ich, es
gab jemanden, dem ich mich bedingungslos hingeben konnte.
Wenn ich mit ihm zusammen war, blieb das Böse draußen vor
der Tür. Doch wenn ich rausging, war es wieder kalt, egal, ob im
Sommer oder im Winter. Als ich vorgestern von seinem Tod erfahren
habe, wollte ich schreien, aber das durfte ich ja nicht. Ich
durfte mir nichts anmerken lassen. Es einfach nur unter Code 77
verbuchen und fertig. Und als ich allein war und weinen wollte,
da konnte ich es nicht mehr. Da war eine unbeschreibliche Leere
in mir. Ich hatte den letzten Menschen verloren, der mir etwas
bedeutet hatte. Am liebsten hätte ich mich umgebracht, aber es
gibt etwas, das mich am Leben hält, und ihr werdet morgen erfahren,
was es ist.« Dabei sah sie Santos unendlich traurig an,
wieder Tränen in ihren blauen Augen. Sie legte eine Hand auf
Santos' Wange und fuhr fort: »Das Leben ist oft ungerecht.
Manchmal sind wir schuld an unserer Misere, manchmal aber
auch andere. In meinem Fall sind es andere, denn ich bin immer
wie Gerd für das Gute eingetreten. Ich habe einen sehr ausgeprägten
Gerechtigkeitssinn, ich hasse es, wenn andere gedemütigt
werden, ich hasse es, wenn Menschen grundlos getötet werden,
egal, ob in einem Krieg oder wie hier, damit andere leben
können. Manche Menschen sind nichts als Bestien, sie lassen
sich immer wieder etwas Neues einfallen, um ihre Taschen zu
füllen, und dabei sind dem Erfindungsreichtum keine Grenzen
gesetzt. Hätte man mir vor sechs Jahren gesagt, dass ich eines
Tages in die Hölle gehen würde, ich hätte nur gelacht. Und dann
ging alles so furchtbar schnell, Larissa verschwand spurlos, ich
fand heraus, was passiert war, und nun bin ich selbst mitten in
der Hölle. Ich habe vielen Menschen wehgetan, aber nicht, weil
ich es wollte, sondern weil ich keine andere Wahl hatte.«
»Du hattest doch eine Wahl.«
»Nein, und wenn du in meiner Situation wärst, wüsstest du,
dass ich keine Wahl hatte. Aber jetzt sollten wir wieder zu Sören
gehen. Er wird bestimmt schon ganz ungeduldig sein und
sich fragen, warum wir ihn so lange allein lassen.«
Santos beschlich ein seltsames Gefühl, ohne dass sie hätte beschreiben
können, woher es kam und was es bedeutete. Ivana
hatte sich in den letzten Minuten merkwürdig verhalten. Wie
sie gesprochen hatte, hatte geklungen,
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