Spiel der Teufel
Spiele.«
»Was? Er hat in der letzten Zeit fast jeden Tag mindestens eine
Stunde hier gearbeitet. Und er hasste Computerspiele.«
»Hier, schau selbst«, sagte Henning. Nina kam näher und
starrte mit gerunzelter Stirn auf den Bildschirm. »Zwei Ballerspiele,
Kriegsspiele ...«
»Das versteh ich nicht. Er hat Briefe geschrieben, er hat die
Steuererklärung gemacht, er hat viel im Internet recherchiert,
und er hat auch manchmal Arbeit mit nach Hause gebracht. Da
müssten Hunderte von Dateien drauf sein, aber ganz bestimmt
keine Spiele, und schon gar nicht solche. Da hat sich jemand
dran zu schaffen gemacht«, stellte sie fest.
»Wir nehmen das Notebook mit und lassen es analysieren. Du
bist doch damit einverstanden, oder?«
»Natürlich.«
»Es könnte sein, dass du recht hast mit deiner Vermutung«,
sagte Santos zu Nina, während Henning das Notebook ausschaltete,
zusammenklappte und unter den Arm klemmte.
»Verlass dich drauf, unsere Rechtsmediziner werden herausfinden,
ob die Todesursache tatsächlich eine Kohlenmonoxidvergiftung
war oder doch etwas anderes dahintersteckt.« Ihre
Worte klangen, als würde auch sie nicht mehr an Selbstmord
glauben.
Henning pflichtete ihr stillschweigend bei, auch wenn ein Restzweifel
blieb. Er würde die kriminaltechnische Auswertung abwarten
und vor allem das Autopsieergebnis. Und sollte es Mord
gewesen sein, dann war es ein sehr geplanter. Doch warum sollte
Gerd ermordet worden sein? Hatte es etwas mit seiner Ermittlungsarbeit
zu tun? Hatte er sich mit Leuten angelegt, denen er
nicht gewachsen war? Aber er war nur ein normaler Kriminalbeamter,
und soweit Henning wusste, bearbeitete er keine spektakulären
Fälle, weil das organisierte Verbrechen in und um Kiel
kaum stattfand. Kiel war eben nicht Berlin, Hamburg oder
Frankfurt, und das war auch gut so.
Nein, dachte Henning, es ist zu früh, Spekulationen anzustellen,
viel zu früh. Und doch gaben ihm zwei Dinge zu denken -
die Uhren und die Festplatte des Notebooks, auf der sich außer
dem Betriebssystem nur Spiele befanden, obwohl Nina steif
und fest behauptete, ihr Mann habe Computerspiele gehasst.
»Nina, ich möchte noch einmal aus deinem Mund hören, dass
er nie mit dir über seine Arbeit gesprochen hat. Hat er oder hat
er nicht?«
»Nein, verdammt noch mal, das hat er nicht! Er hat mir zwar
ab und zu von bestimmten Fällen erzählt, aber das war nie etwas
Besonderes. Eben das Übliche, was in seiner Abteilung
bearbeitet wurde. Wenn zum Beispiel illegale Prostituierte abgeschoben
werden mussten. Aber er hat nie Namen genannt,
und es hat mich auch nicht interessiert. Gerds Arbeit war praktisch
tabu, und ich wollte ihn auch nicht mit Fragen nerven.«
»Okay, dann beantworte mir bitte noch eine letzte Frage. Hat
Gerd getrunken? Ich meine, hat er viel Alkohol getrunken,
möglicherweise seit Rosannas Tod?«
Nina sah ihn entgeistert an. »Nein, Gerd hat nicht getrunken,
auch nicht, als Rosanna gestorben ist. Gerd hatte sich immer
unter Kontrolle. Vielleicht mal ein Glas Wein, wenn wir abends
zusammengesessen sind, aber sonst nicht. Das müsstest du
doch wissen. Und du eigentlich auch«, wandte sie sich an Santos.
»Ihr wart doch einige Male bei uns, und da war nie viel
Alkohol im Spiel. Warum stellst du mir eigentlich eine solche
Frage?«
»Die von der Spurensicherung haben zwei leere Wodkaflaschen
auf dem Beifahrersitz gefunden. Hast du die vorhin nicht
gesehen, als du in der Garage warst?«
»Nein, hab ich nicht. Da war nur Gerd, und ich bin ins Haus
gerannt, um die Polizei anzurufen.«
»Hast du eine Erklärung dafür?«
Nina lachte höhnisch auf. »Nein, ich habe keine Erklärung
dafür. Aber soll ich dir erklären, wie der russische Geheimdienst
arbeitet? Da werden immer wieder Menschen umgebracht,
und jedes Mal lassen sie es so aussehen, als hätten die
Opfer Selbstmord begangen oder wären bei einem Unfall oder
durch eine Krankheit ums Leben gekommen oder ein Räuber
hätte die Tat begangen. Ich erinnere nur an Alexander Litwinenko
und Juri Schtschekotschichin oder Anna Politkovskaja,
falls dir die Namen etwas sagen.« Sie machte eine Pause und
sah zu Boden.
»Willst du damit etwa andeuten, dass Gerd vom KGB umgebracht
wurde?«, fragte Henning mit Zweifel im Blick und hochgezogenen
Brauen, als würde er Nina für verrückt halten.
Sie tat, als würde sie es nicht bemerken, und antwortete mit
klarer und fester Stimme: »Den KGB gibt es schon lange
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