Spiel der Teufel
nüchternste Bulle auf Erden sein«, entgegnete Henning
mit unüberhörbarem Sarkasmus. »Aber soll ich dir was sagen?
Gerd war mein Freund, und ich werde alles in meiner Macht
Stehende tun, um herauszufinden, was vorgestern Nacht passiert
ist. Es war Mord, und Gerd war möglicherweise in kriminelle
Machenschaften verwickelt. Aber ganz ehrlich, ich glaube
das nicht - und ihr doch auch nicht, oder?« Für wenige Sekunden
herrschte eine beinahe betroffene Stille, bis Henning fortfuhr:
»Keine Antwort ist auch eine Antwort. Gerd hat kein
doppeltes Spiel gespielt, und ich werde das beweisen. Und ob
unsere Asiatin was mit dem Mord zu tun hat, kriege ich auch
raus. Ich weiß nur eins, Gerd hat Nina geliebt und hätte ihr
niemals weh getan ...«
»Und wenn er doch mit einer andern Frau eine Affäre hatte?«,
warf Santos ein. »Du kannst doch Jürgens' Obduktionsergebnis
nicht einfach ad absurdum führen. Er hatte was mit einer
andern, und du wusstest nichts davon. Wärst du in seiner Situation
gewesen, du hättest ihm auch nichts von einer andern
Frau erzählt. Es gibt sicherlich eine Erklärung, aber ich fürchte,
du wirst sehr enttäuscht sein ...«
»Das ist mir egal. Ganz gleich, was er auch gemacht hat, es ist
meine Pflicht, seinen Mörder zu fassen.«
»Es ist unsere ganz normale Pflicht«, sagte Santos. »Wir werden
diesen Fall wie jeden andern auch behandeln, klar?«
»Sicher, nur in allen andern bisherigen Fällen hatten wir keine
persönliche Beziehung zu den Opfern oder ihren Angehörigen. Ganz objektiv kann keiner von uns an die Sache rangehen.
Wir können den Fall natürlich auch abgeben und Däumchen
drehen.«
»Blödsinn! Es geht doch lediglich darum, die Ermittlungen
nicht verbissen zu führen, sondern sachlich, wie Volker schon
sagte. Und jetzt lass uns endlich zu Kurt gehen, und danach
fahren wir zu Nina. Aber vorher klingeln wir bei ihr durch,
nicht dass wir vor verschlossener Tür stehen.«
»Was ist mit den Fotos, die bei Gerd gemacht wurden?«, fragte
Henning.
»Sind vorhin reingekommen. Hier, bitte.« Harms legte den
Stapel vor Henning.
Dieser betrachtete eins nach dem andern, runzelte ein paarmal
die Stirn und meinte: »Sieht auf den ersten Blick wirklich wie
Selbstmord aus. Mein lieber Scholli, da hat jemand ganze Arbeit
geleistet. Wie lange dauert es, ein Auto so abzukleben?
Zehn Minuten, eine Viertelstunde?«
»Weniger«, antwortete Harms. »Ein Profi, wenn es denn einer
war, schafft das in maximal fünf Minuten. Das ist kein großer
Akt.«
»Aber es ist eine Handschrift. Hatten wir in letzter Zeit Fälle,
in denen Selbstmorde mit Auspuffgasen verübt wurden?«
»Schauen wir mal.« Harms öffnete ein Fenster im Monitor. »In
diesem Jahr nur zwei. Aber die Opfer waren einfache Bürger,
die nicht mehr leben wollten. Der eine hatte schwere Depressionen
und zahlreiche Klinikaufenthalte hinter sich, der andere
litt unter der Trennung von seiner Familie. Sonst hab ich keine
weiteren Einträge.«
»Gehen wir?«, fragte Santos. »Wir haben eine Menge vor.« Sie
warf Henning einen aufmunternden Blick zu, der sich daraufhin
erhob und mit ihr das Büro verließ. Sie konnte sich sehr gut
in seine Lage versetzen, wie es in ihm rumorte, seine Gedanken
nicht zur Ruhe kamen, weil er einfach nicht wahrhaben wollte,
dass Gerd womöglich nicht der integre Polizist war, als den ihn
alle kannten. Und sollte sich tatsächlich herausstellen, dass
Gerd in schmutzige Geschäfte verwickelt gewesen war, so
würde Hennings Weltbild noch einen weiteren tiefen Riss bekommen.
»Sören«, sagte sie auf dem Flur, während sie vor dem Aufzug
standen, »ich weiß, wie du dich fühlst...«
»Nein, das kannst du nicht wissen. Ich ...«
»Sag nicht immer, ich kann das nicht wissen. Ich kenn dich lang
genug, um in deinem Gesicht lesen zu können. Oder bist du
auch ein Spieler mit einer perfekten Maske?«
»Ach was!«, antwortete er unwirsch. Der Aufzug kam und
brachte sie in den vierten Stock.
Ziese befand sich in einer Besprechung mit vier Mitarbeitern,
als Henning und Santos sein Büro betraten. Er stoppte mitten
in seinen Ausführungen, runzelte die Stirn und sagte:
»Ihr kommt genau richtig. Wir gehen gerade den Tagesablauf
durch.«
»Wir wollten eigentlich unter sechs Augen mit dir sprechen«,
erwiderte Henning, woraufhin die andern Beamten ihn zum
Teil verständnislos ansahen.
»Kein Problem, aber normalerweise habe ich keine Geheimnisse
vor meinen
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