Spiel der Teufel
Leuten. Was ihr mir zu sagen habt, kann jeder
hören. Wir haben natürlich das mit der Toten am Osthafen erfahren
und wollen gleich mit unsern Ermittlungen beginnen,
da es sich möglicherweise um einen Mord im organisierten Milieu
handelt und ...«
»Wenn ich kurz unterbrechen darf, aber was wisst ihr bis jetzt
von ihr?«, fragte Santos.
»Nur, dass sie eine Asiatin ist. Der vorläufige Bericht vom
KDD ist nicht gerade sehr aufschlussreich, außer der Tatsache,
dass sie vermutlich einem Auftragsmord zum Opfer gefallen
ist. Und ihr?«
»Auch nicht mehr«, log Henning und lehnte sich an die Tür.
»Wir haben noch ein paar Fragen an dich, was Gerd betrifft.
«
»Bitte, fragt«, sagte Ziese.
Henning zögerte. Er kannte außer Ziese und Hinrichsen keinen
der andern aus der Abteilung näher und wusste nicht, inwieweit
er ihnen vertrauen konnte. Santos übernahm für ihn
das Sprechen und sagte: »Wir brauchen sämtliche Informationen
darüber, woran Gerd in den vergangenen sechs Monaten
gearbeitet hat. Dafür benötigen wir seine Dienstpläne.«
»Ich hab euch doch schon gestern erklärt, dass Gerd in letzter
Zeit reine Routinefälle bearbeitet hat«, entgegnete Ziese seltsam
kühl und distanziert.
»Wir ermitteln in einem Mordfall, und deshalb ist es wichtig,
dass wir Einblick in alle Fälle erhalten, die in Gerds Zuständigkeit
fielen.«
Ziese ließ einen Moment verstreichen, bevor er sagte: »Das
kann dauern. Ich versteh aber nicht ganz, warum das relevant
sein soll. Könnt ihr mir das vielleicht etwas näher erklären?«
»Wir kommen gerne nachher noch mal wieder, wenn du allein
bist«, ergriff jetzt Henning das Wort.
»Ich stehe euch in zwanzig Minuten zur Verfügung. Vorher
muss ich noch meine Männer instruieren.«
»Okay, dann aber gleich von mir noch eine Kleinigkeit. Hört
euch mal unter den Vietnamesen um, ob dort jemand unsere
Unbekannte kennt. Ein Foto dürftet ihr doch inzwischen haben,
oder?«
»Wir haben ein Foto, aber ...«
»Dann lass es vervielfältigen, und legt es jedem vor, der auch
nur ansatzweise vietnamesisch aussieht. Wir brauchen ihre
Identität, und zwar schnell.«
Einer der Beamten, Hinrichsen, zog die Stirn in Falten und sah
Henning beinahe mitleidig an. Henning kannte ihn recht gut,
er war schon mindestens zwanzig Jahre bei der Truppe und
hatte eine Menge erlebt.
»Hör zu, du stellst dir das alles einfacher vor, als es ist. Aus den
Schlitzaugen kriegst du nichts raus. Die mauern bis zum Gehtnichtmehr.
Bei den Chinesen geht's meist um Schutzgelder,
aber wenn du sie fragst, ob sie zahlen, lächeln sie dich nur an
und tun so, als wäre alles in Butter. Dabei leben diese armen
Schweine am Existenzminimum, während die Gangs kräftig
abkassieren. Bei den Vietnamesen ist es das Gleiche, obwohl es
da weniger um Schutzgelder geht, sondern hauptsächlich um
Zigarettenschmuggel, wobei die allerdings inzwischen ihr Betätigungsfeld
ausgedehnt haben. Aber wenn du einen Schmuggler
hochnimmst, garantiere ich dir, dass du aus dem kein Sterbenswörtchen
rauskriegst. Eher lässt er sich killen.«
»Wieso?«
»Ich hab schon oft genug mit diesen Typen zu tun gehabt, die
sind härter als Stahl. Aber das ist nur äußerlich. Hast du schon
mal probiert, durch Stahl durchzugehen, wenn da keine Tür ist?
Die haben eine verfluchte Angst zu reden, und ich kann dir auch
sagen, warum. Zum einen hängen ganze Familien dran, zum andern
tut's verdammt weh, wenn einem der Finger oder die Hand
bei vollem Bewusstsein abgesäbelt wird. Wir werden das tun,
was wir immer tun, wenn's heiß wird. Wir werden die Leute befragen,
das Ergebnis wird aber gleich null sein, auch wenn man
unsere Tote kannte. Die haben ihre ganz eigenen Gesetze, die
wir als Deutsche oder Europäer nie begreifen werden.«
»Das klingt so, als wäre es sinnlos, sich mal umzuhören«, meinte
Henning.
»Es ist sinnlos, aber manchmal sollen auch Wunder geschehen
«, erwiderte Hinrichsen schulterzuckend. »Doch ich hab
längst aufgehört, an diese Wunder zu glauben. Sören, ich will
dir ja nicht sämtliche Illusionen rauben, aber die Asiaten sind
in den letzten Jahren wie die Heuschrecken hier eingefallen. Sie
kontrollieren einen nicht unbeträchtlichen Teil des organisierten
Verbrechens, aber kein Normalsterblicher merkt es, weil
sie es wie kaum eine andere Organisation verstehen, im Verborgenen
zu arbeiten. Wir hier wissen davon, sind aber im
Prinzip machtlos. Die haben sich ihre
Weitere Kostenlose Bücher