Spiel der Teufel
ja tatsächlich die Frau, mit der Gerd was hatte
«, bemerkte Santos auf der Fahrt nach Kiel.
»Lisa, das ist mir im Augenblick so was von egal. Und ja, ich geb
zu, dass ich nervös bin, denn ich bin sicher, dass diese Frau mir
einiges zu sagen hat. Sie wollte wissen, ob ich allein bin oder
jemand bei mir ist und so weiter. Und dann hat sie mir diese
Nummer gegeben. Sie kennt meinen Namen, und sie weiß auch
von dir. Ich soll aber vorerst mit niemandem über das Telefonat
sprechen, du ausgenommen. Löchere mich also bitte nicht weiter
mit Fragen, ich hab nämlich keine Antworten.«
»Woher kennt sie mich?«
»Himmel noch mal, ich weiß es doch nicht! Ich weiß ja nicht
mal, woher sie meine Nummer hat.«
Santos wollte eigentlich nichts mehr darauf erwidern. Ihr Gesichtsausdruck
war mit einem Mal ernst geworden, als sie dennoch
sagte: »Vielleicht von Gerd.« Sie mochte es nicht, wenn
Henning wütend war, wenn er sie anfuhr und manchmal auch
richtig laut wurde, obwohl sie wusste, dass er es nie böse meinte,
denn dazu verhielt er sich ihr gegenüber die meiste Zeit zu
respektvoll und auch liebevoll. Er hatte viele harte Jahre hinter
sich, von denen fünf mit Sicherheit die schwersten seines Lebens
waren. Aber auch heute noch trug er eine schwere Last,
über die er jedoch nicht gerne sprach. Finanzielle Probleme
machten ihm zu schaffen, Probleme, für die er nichts konnte,
weil seine Exfrau in dieser Hinsicht einfach cleverer war und
sich bei der Trennung gleich eine überaus gewiefte Anwältin
zur Seite gestellt hatte. Diese Anwältin hatte es geschafft, Henning
nicht nur finanziell an den Abgrund zu führen und die
Richterin davon zu überzeugen, seiner Ex das alleinige Sorgerecht
zu übertragen, vor zwei Jahren hatte sie auch erwirkt,
dass er seine Kinder nur noch einmal im Monat sehen durfte,
obwohl Elisabeth, die zu diesem Zeitpunkt noch dreizehn war,
sich vehement dagegen gewehrt hatte. Inzwischen war sie fünfzehn,
stritt sich immer öfter mit ihrer Mutter und versuchte so
oft wie möglich bei ihrem Vater zu sein, während Markus, der
längst volljährig war, jeden Kontakt mit seinem Vater verweigerte,
da er ihm die Alleinschuld am Scheitern der Ehe gab. All
dies nagte an Henning, und er grübelte viel und hatte bisweilen
depressive Phasen, die jedoch vergingen, sobald er mit Lisa zusammen
war. Und nun war zu allem Übel auch noch sein
Freund Gerd ermordet worden, ein weiterer Tiefschlag, von
dem er sich erst erholen musste.
Henning war im Laufe der letzten Jahre zu einem Zyniker geworden,
der häufig die Grenzen seiner Wortwahl überschritt
und es vielen nicht leicht machte, mit ihm auszukommen. Zum
Glück gab es außer Lisa noch andere Personen, die zu ihm hielten,
allen voran Volker Harms und der Polizei- und Kriminalpsychologe
Jan Friedrichsen, der schon viele Gespräche mit
ihm geführt hatte und ihm immer wieder Mut machte und
wusste, dass er und Lisa praktisch zusammenlebten.
Sie hielten an einem Imbiss, und Henning und Santos kauften
sich jeder ein Fischbrötchen und eine Dose Cola. Henning
schaute immer wieder auf die Uhr. Um vier Minuten vor eins
setzten sie sich ins Auto, warteten noch einen Augenblick, und
Henning tippte genau dreißig Sekunden vor der vereinbarten
Zeit die Nummer in sein Handy. Nach dem dritten Läuten
wurde abgehoben.
»Ja?«
»Henning hier.«
»Wo sind Sie jetzt?«
»In Kiel...«
»Ist außer Frau Santos noch jemand bei Ihnen?«
»Nein.«
»In Ordnung. In welcher Straße befinden Sie sich gerade?«
»Westring.«
»Gut. Fahren Sie zur Hörnbrücke und bleiben Sie dort zwei
Minuten mit heruntergelassenem Fenster stehen. Was für ein
Auto fahren Sie?«
»Einen dunkelblauen Opel Vectra. Aber ich kann dort nicht
einfach parken.«
»Nur zwei Minuten, damit ich mich vergewissern kann, dass Sie
auch wirklich allein kommen. Ich melde mich, sobald ich Sie
vorfahren sehe. Sollte ich jedoch ein anderes Auto bemerken,
das Ihnen folgt, wird es keinen Kontakt mehr geben, und Sie
werden auf sehr wichtige Informationen verzichten müssen.«
Wie schon vorhin legte sie auf, ohne eine Erwiderung abzuwarten.
Henning kaute wieder auf der Unterlippe und meinte:
»Die Frau ist so was von vorsichtig. Ich habe eine Nummer
in Russland gewählt, und sie befindet sich hier in unserer
Nähe.«
»Wenn sie so vorsichtig ist, hat das mit Sicherheit einen sehr
triftigen Grund. Wahrscheinlich hat sie eine russische Handynummer,
ist
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