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Spiel des Lebens 1

Spiel des Lebens 1

Titel: Spiel des Lebens 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Etzold Veit
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irgendwo in Soho«, sagte Julia und kehrte zurück zu ihrem vorherigen Thema. »Komm doch einfach mit.« Sie zwinkerte Emily zu. »Vielleicht hat Ryan ja auch Zeit.«
    Ryan. Emily fiel auf, dass sie die ganze Zeit gar nicht mehr an ihn gedacht, ja ihn fast schon vergessen hatte, nachdem sie gestern in der Bibliothek alles getan hatte, damit er sie nicht entdeckte. Wollte sie ihn wiedersehen? Sie wusste es nicht. Doch schuldete sie ihm nicht auch eine Antwort, ein Lebenszeichen? Immerhin hatte er sich am Freitagabend um sie gekümmert, und vielleicht macht er sich Gedanken um sie. Andererseits war sie niemandem eine Auskunft schuldig. Und wenn sie selbst ihrer besten Freundin Julia nicht alles erzählen wollte, warum dann Ryan?
    »Ist Ryan denn hier?«, fragte Emily.
    Julia lachte wieder ihr dreckiges Lachen. »Vermisst du ihn?«
    »Red keinen Blödsinn.« Sie tunkte den Teebeutel in den Becher. »Ist er hier?«
    »Der irische Prinz«, begann Julia salbungsvoll und zog an den Kordeln ihres ManU -Kapuzenpullis, »erwartet die englische Prinzessin in seiner Suite, Nummer 410.« Sie zeigte theatralisch den Gang hinunter.
    »Okay, ich spreche vielleicht nachher mal mit ihm. Oder morgen«, sagte Emily. »Ich glaube, er weiß gar nicht, was am Freitagabend noch alles passiert ist.«
    »Hey, Em«, meinte Julia und umarmte sie, »ich bin deine beste Freundin und mir brauchst du gar nichts zu erklären. Und wenn es noch andere Gründe gibt, den Prinzen aufzusuchen … «
    »Du bist doof«, sagte Emily lachend, drückte sie zurück und ging mit ihrem Becher den Gang hinunter.
    »Sehen wir uns beim Essen?«, rief ihr Julia hinterher.
    »Ich schau mal.«
    Emily, den Becher mit beiden Händen umklammert, schlich sich langsam an den Raum 410 heran und wunderte sich selbst, warum sie sich so zierte. Hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie Ryan nichts gesagt hatte? Oder war es die Angst, die manchmal die dunkle Schwester der Vorfreude ist, dass sie ihn gleich wiedersehen würde? Sie näherte sich der Tür und hörte seine Stimme. Nur seine Stimme. Offenbar telefonierte er gerade. Sie ertappte sich dabei, wie sie ihr Ohr an die Tür legte und lauschte. Wenn sie jetzt jemand sehen würde? Aber Julia war schon wieder in ihrem Zimmer verschwunden, wahrscheinlich um mit Jonathan zu telefonieren oder mit ihm auf Facebook zu mailen, und auch sonst war an diesem stillen späten Sonntagnachmittag niemand auf dem Flur.
    »In dieser Scheiß- WG war es echt nicht mehr auszuhalten«, hörte sie Ryans Stimme. »Darum bin ich ja auch hier ins Wohnheim gezogen. Ich dachte erst, so eine WG in Camden und so weiter, das wäre irgendwie cooler und würde passen, so szenemäßig und so, deswegen bin ich ja schon im Juni in die WG gezogen, aber dann habe ich mich ganz schnell für das Wohnheim beworben. War zum Glück noch früh genug, weil … Wieso? Ja, was denkst du? Keiner von diesen Vollidioten hat sich jemals um die Rechnungen gekümmert, sodass abwechselnd entweder der Strom, das Wasser oder die Heizung abgestellt wurde … Ja, ja, Heizung braucht man im Juni nicht, weiß ich selbst, aber trotzdem war das scheiße.«
    Emily lächelte. Sie stellte sich Ryan vor, in dieser seltsamen WG , die wahrscheinlich nur aus chaotischen Mitbewohnern bestand, solche Mitbewohner, vor denen ihre Mum sie wahrscheinlich immer warnen würde. Aber die Geschichte klang interessant. Ein wenig wünschte sie sich, auch mal in einer WG zu wohnen. Immerhin konnte sie etwas darüber erfahren, wenn sie Ryan belauschte. Und auf diese Weise konnte sie noch etwas mehr über Ryan erfahren. Der indirekte Weg, das hatte ihr Vater oft zu ihr gesagt, der indirekte Weg war immer der beste.
    Ryan sprach weiter. »Ja, das Telefon war auch immer abgestellt. Ja, wir hatten sogar Festnetz. Keine Ahnung warum, Handys hatten wir auch. Na egal. Was? Nein, sauber gemacht hat auch nie jemand. Deswegen hat Andy auch vorgeschlagen, die ganze Scheißbude an die NASA zu verkaufen. Die könnten die vielleicht gut gebrauchen, hat er gesagt, um auf fremden Planeten Bakterienkulturen zu züchten … Ben? Ja, der wohnt immer noch da, der steht wohl auf so was.«
    Es folgte eine Pause. Offenbar sprach der andere am Ende der Leitung gerade. Emily legte ihr Ohr an die Tür. »Sorry«, sagte Ryan, »ich muss mich hier auch um mein Studium kümmern. Ich kann nicht Hausmeister, Putzfrau und Seelenklempner in einem spielen. Hier im Wohnheim kümmern die sich um alles. Putzfrau, Wäsche. Alles. Ich muss

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